BERLINER MORGENPOST: Pauker mit Pistolen / Leitartikel von Dirk Hautkapp zu Waffen in den USA

Kurzform: Wer wirklich mehr Sicherheit schaffen
will, der muss flächendeckend gut ausgebildetes Wachpersonal
einstellen, das – ähnlich wie an Flughäfen, Botschaften oder
Ministerien – schwer bewaffnet Patrouille läuft. Aber dafür haben die
vielfach hoffnungslos überschuldeten Bundesstaaten kein Geld. Allein
bei den öffentlichen Schulen in Amerika käme man nach seriösen
Schätzungen auf einen Bedarf von über einer Million Kräfte. Nur
darum, und weil Washington unter Aufrüstung nur die Armee versteht
und sich gern einen schlanken Fuß macht, ist die Idee mit den
bewaffneten Lehrern überhaupt erst geboren worden. Zynisch. Ein
Präsident mit Beinfreiheit könnte dies klar sagen und das Land vor
die Wahl stellen: Was ist uns in Amerika der Schutz unserer Kinder
wert? Donald Trump redet dagegen der NRA nach dem Mund.

Der vollständige Leitartikel: Bewaffnete Lehrer? Es dient der
Klarheit, wenn man Donald Trumps Eintreten für
Frieden-schaffen-durch-noch-mehr-Waffen an Amerikas Schulen nach dem
Massaker von Parkland von einem radikalen, aber leider traurig wahren
Standpunkt aus betrachtet: Reformvorschläge für die Waffengesetze in
Amerika, die von der „National Rifle Association“ (NRA) inspiriert
und befürwortet werden, sind per Definition keine. Sie sind Kosmetik
und laufen auf Status-quo-Erhalt hinaus. Sie wollen das Grundübel –
mehr als 300 Millionen Waffen im Umlauf, kinderleichter Zugang zu
Waffen mit verheerendem Zerstörungspotenzial und militärtauglichen
Magazinen – nicht beheben, sondern zementieren. Die Idee ist unter
dem Druck von Millionen Mitgliedern entstanden, die von einer kleinen
Funktionärsclique instrumentalisiert werden; ein von der
Waffenindustrie erzeugter Erpressungsversuch von Volksvertretern, die
gegen das Volk entscheiden, um es nach Tragödien wie Parkland zu
trösten. Indem Donald Trump abgesehen vom Drehen an altbekannten
Stellschrauben, die allesamt unter Kongress-Vorbehalt stehen, die
Forderung nach bewaffneten Klassenzimmern besonders laut propagiert,
beweist der Präsident neben seiner NRA-Nähe auch seine
Schmalspurigkeit in der Sache. Praktiker bei der Polizei und in der
Lehrerschaft wissen seit Langem, dass es den lizenzierten
Freizeitschützen, der mitten im größten Chaos geistesgegenwärtig und
mit ruhiger Hand einen Amokläufer und dessen Sturmgewehr ohne
Kollateralschaden neutralisiert, allenfalls in schlechten
Hollywoodfilmen gibt. Nicht aber in realen Ausnahmesituationen, in
denen selbst vom Krieg gestählten Soldaten das Blut gefriert. Noch
grotesker wird die Idee vom Pauker mit Pistole, wenn man sich
vergegenwärtigt, wie kinderleicht es in den meisten Bundesstaaten
ist, an einen Waffenschein zu gelangen. In Texas etwa reichen ab dem
Alter von 21 Jahren sechs Stunden Theorie, Prüfung plus Schießstand.
Qualifiziert das, um in Bruchteilen einer Sekunde über Leben und Tod
zu entscheiden? Und auch das Argument der Abschreckung, auf das in
den USA gerade Schulen in weit von der nächsten Polizeiwache
abgelegenen Gegenden mit Hinweisschildern setzen (Achtung: Lehrer
bewaffnet!), zieht bei genauer Betrachtung nicht. Viele Amokläufer,
die seit der Tragödie an der Columbine High School 1999 in Colorado
Leid und Elend über Tausende Menschen gebracht haben, nahmen den
eigenen Tod billigend in Kauf. Nein, wer Schulen als beschützte,
intakte Räume erhalten will, an denen ohne Magenschmerzen gelernt,
debattiert und gedacht werden soll, darf Lehrer nicht im Nebenberuf
zu Freizeitcops machen. Klassenzimmer stehen für Diskussion, Pistolen
bedeuten deren Ende. Wer wirklich mehr Sicherheit schaffen will, der
muss flächendeckend gut ausgebildetes Wachpersonal einstellen, das –
ähnlich wie an Flughäfen, Botschaften oder Ministerien – schwer
bewaffnet Patrouille läuft. Aber dafür haben die vielfach
hoffnungslos überschuldeten Bundesstaaten kein Geld. Allein bei den
öffentlichen Schulen in Amerika käme man nach seriösen Schätzungen
auf einen Bedarf von über einer Million Kräfte. Nur darum, und weil
Washington unter Aufrüstung nur die Armee versteht und sich gern
einen schlanken Fuß macht, ist die Idee mit den bewaffneten Lehrern
überhaupt erst geboren worden. Zynisch. Ein Präsident mit
Beinfreiheit könnte dies klar sagen und das Land vor die Wahl
stellen: Was ist uns in Amerika der Schutz unserer Kinder wert?
Donald Trump redet dagegen der NRA nach dem Mund.

Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 – 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell