Eigentlich mag sich die FDP genau so, wie sie sich
gibt: kleinbürgerlich und mittelständisch, marktliberal und
karrieristisch, leistungsorientiert und fortschrittlich. Die Reden
der Parteispitze vor den Kreisvorsitzenden gestern in Berlin trugen
dem in jeder Hinsicht Rechnung. Dafür wurden sie mit viel Applaus
belohnt. Leider aber mögen die Wähler die FDP nicht mehr. Und das ist
ein Riesendilemma für die Liberalen. Denn was kann es Schlimmeres
geben, als für das, was man leidenschaftlich sein will und
unbestritten auch ist, nicht gemocht zu werden? Mal liegen die
Liberalen in den aktuellen Umfragen etwas über, mal leicht unter der
existenziellen Fünfprozenthürde. Bei der Bundestagswahl vor einem
Jahr erzielten sie noch 14,6 Prozent – welch tiefer Fall. Er legt den
Schluss nahe, vor einem Jahr sei die FDP eine andere Partei gewesen,
sie sei mit einer anderen politischen Botschaft angetreten. Das ist
sie aber nicht. Damals wie heute fordert sie Steuererleichterungen,
weniger Staat und mehr Markt. Und tatsächlich hat die schwarz-gelbe
Koalition auf Druck der FDP die Bürger zu Beginn des Jahres kräftig
entlastet. Die Konjunkturprognosen der Wirtschaftsforscher sind so
gut wie lange nicht mehr, sogar die Verbraucher wollen mehr Geld
ausgeben, prophezeien die Analysten. Kein westliches Industrieland
ist so gut durch die Wirtschaftskrise gekommen wie Deutschland. Die
Arbeitslosigkeit sinkt, und die Unternehmen wollen zusätzliche
Fachkräfte im Ausland anwerben. Trotzdem stehen die Liberalen in der
Gunst der Wähler schlecht da. Das finden sie ungerecht, was nur zu
verständlich ist. Und darüber beginnen sie, an sich selbst zu
zweifeln, und verfallen in Trübsinn. Sie schielen zu den Grünen,
ihren schärfsten Konkurrenten, deren Wählerschicht der eigenen stark
ähnelt und die, im Gegensatz zur FDP, vom Glück verfolgt zu sein
scheinen. Ausgerechnet von den Grünen aber sollten sie sich nicht von
ihrem Weg abbringen lassen, auch wenn deren Umfragewerte jetzt in den
Himmel schießen. Die Liberalen sind für die Kernenergie und gegen ein
Scheitern von Stuttgart 21. Und viele derzeit noch schweigende Bürger
mögen das ebenso sehen. Die Debatte darüber, wie demokratische
Entscheidungsprozesse reformiert werden müssen, damit technologische
Großprojekte in Deutschland auch in Zukunft noch möglich sind,
beginnt gerade erst. Deshalb sollten Westerwelle und Co. die Grünen
nicht länger der ewige Dorn im Auge sein. Nur weil die derzeit etwas
haben, was die FPD nicht hat: die Freiheit einer Oppositionspartei
und damit das Laute und Freche der vollkommen unverbindlichen, weil
frei von jeder Verantwortung gemachten Versprechungen. Denn damit
neiden die Liberalen den Grünen etwas, das ihnen selbst viel zu viele
Jahre eine Qual war. So klein aber dürfen sie sich trotz der Umfragen
nun wirklich nicht machen.
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