BERLINER MORGENPOST: Steuererhöhungen sind falsch Leitartikel von Christine Richter über die Pläne der großen Koalition in Berlin für mehr Einnahmen

Es wird eine lange Sitzung werden am morgigen
Dienstag. Der Senat mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit
(SPD) an der Spitze will sich zu einer Klausurtagung zurückziehen, um
über den Haushaltsplan für die kommenden zwei Jahre zu beraten und
ihn letztlich auch zu beschließen. Eigentlich war alles schon auf
einem guten Weg, doch dann kamen die Ergebnisse der Volkszählung –
und Berlin hat demnach 180.000 Einwohner weniger. Das bedeutet, dass
Berlin allein rückwirkend rund 940 Millionen Euro zahlen muss, denn
bei weniger Einwohnern erhält Berlin auch weniger Geld aus dem
Länderfinanzausgleich. Und perspektivisch fehlt jedes Jahr eine halbe
Milliarde Euro in der Landeskasse. Das tut richtig weh, also muss der
Senat noch einmal gründlich nachrechnen. Und er sollte vor allem
nachdenken, bevor er Beschlüsse fasst.

Doch wie das so ist in finanziellen Krisensituationen: Den
Politikern fällt als Erstes ein, die Steuern und andere Gebühren zu
erhöhen. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD)
propagiert seit der Volkszählung noch lauter die von ihm favorisierte
City Tax, also die Abgabe in Höhe von fünf Prozent, die von jedem
Touristen pro Hotelübernachtung in Berlin verlangt wird. Das Vorhaben
ist zwar ein Bürokratiemonster und noch lange nicht vom
Abgeordnetenhaus beschlossen, soll aber 25 Millionen Euro im Jahr
einbringen. Am Wochenende haben sich SPD und CDU schon auf eine
Erhöhung der Grunderwerbsteuer verständigt. Diese wird jetzt von fünf
auf sechs Prozent steigen. Dass diese Steuer, die beim Kauf von
Wohnungen oder Häusern fällig wird, erst vor einem Jahr von 4,5
Prozent auf fünf Prozent angehoben wurde, wird geflissentlich
verschwiegen. Nußbaums Berechnung: 100 Millionen Euro sollen so Jahr
für Jahr eingenommen werden. Steuererhöhungen sind jedoch der falsche
Weg, denn sie wirken sich meist negativ aus. In diesem Fall auf die
Familien, die sich endlich eine Wohnung leisten wollen, aber mit
jedem Cent rechnen müssen. Für sie könnte es nun zu teuer werden.

Viel sinnvoller wäre es, auf überflüssige Projekte zu verzichten.
Ein erster Schritt ist getan, denn beide Parteien haben die
Ausrichtung der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2020 auf die
Streichliste gesetzt. Ersparnis: rund 60 Millionen Euro. Solche Dinge
können sich nur reiche Länder leisten. Deshalb gehört auf die
Einsparliste auch die geplante Zentral- und Landesbibliothek, die
sich Wowereit so gerne auf dem Tempelhofer Feld bauen lassen will.
Für rund 270 Millionen Euro. Das braucht Berlin nun wirklich nicht.
Und der Senat wäre klug, würde er den Plan aufgeben, ein Stadtwerk zu
gründen und Strom für die Berliner produzieren zu wollen. Wer genau
hinsieht, weiß, dass es in Berlin wahrlich keine Probleme mit der
Energieversorgung gibt. Zumal das ein milliardenteures Projekt wird –
mit ungewissem Ausgang.

Die Sitzung des Senats ist deshalb von großer Bedeutung, denn die
Beschlüsse können weitreichende Folgen haben. Zugunsten der Berliner,
das wäre am Dienstagabend die gute Nachricht.

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