BERLINER MORGENPOST: Trump will Geld sehen – Leitartikel von Egbert Nießler

Erfüllt ausgerechnet Donald Trump den Traum aller
Altlinken vom „Yankee go home“ und zieht die letzten US-Truppen aus
Deutschland ab? Mag sein – falls denn die Meldungen aus Übersee
stimmen, dass der US-Präsident über einen solchen Schritt nachdenkt.

Seine primären Intentionen dürften das allerdings nicht sein. So
wie er an andere internationale Vereinbarungen und Organisationen
herangeht, hat er sich von Anfang an auch die Nato vorgenommen. Dass
das Bündnis obsolet sei, wiederholt er zwar heute nicht mehr. Dass er
mehr Engagement von einzelnen Mitgliedern – allen voran Deutschland –
erwartet, dürfte aber mittlerweile jedem klar geworden sein.

Ein Abzug der Amerikaner wäre mehr als ein Liebesentzug, er wäre
ein Misstrauensantrag gegen den bisher wichtigsten Verbündeten auf
dem Kontinent, eine grundlegende Veränderung des
deutsch-amerikanischen Verhältnisses. Eine eventuelle Verlegung nach
Polen an die neue Ostgrenze des Bündnisses wäre nicht nur strategisch
und finanziell nachvollziehbar.

Das erinnert auch an die Rhetorik des früheren
US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld vom alten und neuen Europa.
Polen gehörte 2003 schon zu den Neuen. Erkennt Trump gleichzeitig die
Annexion der Ukraine durch Russland an, würde er der Operation
gleichzeitig an Schärfe gegenüber Moskau nehmen – und die Europäer
weiter verunsichern.

Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten,
seien vorbei, hat Kanzlerin Angela Merkel schon vor gut einem Jahr
erkannt. Ein schlüssiges Konzept, wie die Verlässlichkeit
wiederhergestellt werden kann, ist nicht erkennbar. Und die
Bemühungen um eine schlagkräftige Bundeswehr oder eine europäische
Militärmaschinerie neben der Nato nehmen nur langsam Gestalt an und
werden bescheiden bleiben.

Mit dieser Intensität kann man EU-Gipfel bestreiten und als Erfolg
verkaufen. Und vielleicht auf das Ende der Ära Trump hoffen. Nur wird
der sich nicht so lange in Geduld üben.

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