Mit einem hart errungen Beschluss erreicht der
Berliner Senat wieder einmal nur eines: Er gewinnt Zeit. Im November
erst erreicht die gestern angekündigte Bundesratsinitiative zur
sozialen Mietenpolitik den Bundesrat. Von dort aus wird der Vorschlag
erst mal in die zuständigen Ausschüsse verwiesen und beraten. Bis er
dann erneut das Licht der Welt erreicht, wird noch viel Wasser die
Spree hinabfließen. Dabei ist der Ausgang der Sache mehr als
ungewiss. Der Senat hat sich bislang keine Verbündeten in der
Ländervertretung gesucht. Die Idee der SPD-Linke-Regierung dahinter
ist klar. Ein Jahr vor der Wahl will sie die drängenden Themen vom
Tisch räumen, um möglichst unbelastet in den Wahlkampf einzutreten zu
können. Den Ausbau der Autobahn 100 zwischen Neukölln und
Treptow-Köpenick hat der Senat ebenso in die nächste
Legislaturperiode verlegt wie das seit drei Jahren angekündigte
Klimaschutzgesetz. Gleiches geschieht nun mit der Mietenpolitik.
Weder schreibt das Land Hausbesitzern vor, Heizungen auszutauschen
oder die Wände zu dämmen, um den Energieverbrauch zu senken, noch
erhalten Mieter in absehbarer Zeit mehr Rechte gegen schwer zu
tragende Mieterhöhungen. In Anbetracht der Ankündigungen der
vergangenen Jahre ist das aber eindeutig zu wenig für eine
Landesregierung, die sich mit breiter Brust den anstehenden Wahlen
stellen will. Dabei hat gerade die Mietenpolitik eine zentrale
Bedeutung für die Entwicklung der Stadt. Die Verdrängungstendenzen
haben in vielen Stadtteilen dramatisch zugenommen. War Berlin bislang
davon relativ unbehelligt, so bilden sich derzeit regelrechte Zentren
des sozialen Abstiegs. Mieter werden aus angestammten Wohnvierteln
wegen ansteigender Mieten verdrängt. In Teilen Spandaus und
Reinickendorfs, ehemals bürgerlichen Bezirken, ist der Zuzug von
Hilfeempfängern dagegen besonders hoch. Ganze Straßenzüge drohen hier
zu veröden oder sind gekippt. Die Pläne der Berliner SPD, die soziale
Mietenpolitik zum zentralen Wahlkampfthema zu machen, sind daher
nachzuvollziehen. Ob sie mit der gefundenen Regelung aber bei den
Berlinern punkten, ist fraglich. Das Dilemma bleibt: in der Stadt mit
den sozialen Problemen konfrontiert zu sein, aber wegen der
Zuständigkeit des Bundes kaum dagegen vorgehen zu können. Ähnlich
zerrissen zeigt sich der Senat. Also verständigte er sich jetzt
einerseits darauf, die Mieten deckeln zu wollen; andererseits aber
macht der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bei seinem
Besuch im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg deutlich, dass es
eigentlich wünschenswert sei, wenn sich Stadtteile wie der Graefekiez
nach oben entwickeln. Wie bei der in den eigenen Reihen umstrittenen
Autobahnverlängerung und dem Klimaschutzgesetz fehlt es dem Senat
auch bei den Mieten an einer überzeugenden Haltung. Die
Bundesratsinitiative zur sozialen Mietenpolitik lässt die Berliner
also ebenfalls 1ratlos zurück.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de