Kurzform: Auf den ersten Blick sieht das Ergebnis 
des EU-Gipfels aus wie eine Mischung aus Unvermögen und 
Arbeitsverweigerung: Die Regierungschefs haben sich weder auf ein 
neues Klimaschutzziel verständigt noch ein Personalpaket für die 
EU-Führungsjobs geschnürt. Ein Debakel? Nein. Kriegen die gar nichts 
gebacken in Europa? Doch. Diesmal war es kein Fehler, Entscheidungen 
zu vertagen. Ein Blick auf das Thema Klimaschutz genügt: Mit einem 
raschen, verbindlichen Beschluss, die Wirtschaft in ganz Europa 
innerhalb von 30 Jahren klimaneutral zu stellen, war in Brüssel im 
Ernst überhaupt nicht zu rechnen. Es wäre ein gewaltiges Vorhaben, 
den Treibhausgasausstoß in Europa bereits bis 2050 netto auf null zu 
senken – also in erster Linie CO2 einzusparen.
   Der vollständige Leitartikel: Auf den ersten Blick sieht das 
Ergebnis des EU-Gipfels aus wie eine Mischung aus Unvermögen und 
Arbeitsverweigerung: Die Regierungschefs haben sich weder auf ein 
neues Klimaschutzziel verständigt noch ein Personalpaket für die 
EU-Führungsjobs geschnürt. Ein Debakel? Nein. Kriegen die gar nichts 
gebacken in Europa? Doch. Diesmal war es kein Fehler, Entscheidungen 
zu vertagen. Ein Blick auf das Thema Klimaschutz genügt: Mit einem 
raschen, verbindlichen Beschluss, die Wirtschaft in ganz Europa 
innerhalb von 30 Jahren klimaneutral zu stellen, war in Brüssel im 
Ernst überhaupt nicht zu rechnen. Es wäre ein gewaltiges Vorhaben, 
den Treibhausgasausstoß in Europa bereits bis 2050 netto auf null zu 
senken – also in erster Linie CO2 einzusparen. Schon das bisher 
vereinbarte Ziel, diese Klimaneutralität in der zweiten Hälfte des 
Jahrhunderts zu erreichen, ist technisch und politisch ehrgeizig. 
Deutschland wird Billionen investieren müssen. Aus Umweltgründen 
spricht viel dafür, das Tempo noch zu erhöhen. Aber das entscheidet 
man nicht mal nebenbei, sondern gründlich vorbereitet. Solche 
Ambitionen sind etwa in Frankreich, das seinen Strom zum Großteil in 
Atomkraftwerken erzeugt, leichter zu verkünden als in Polen mit 
seinem hohen Anteil an Kohleverstromung. Oder in Deutschland. Im 
Bremserhäuschen saßen bis vor Kurzem nämlich nicht nur osteuropäische
Länder, sondern auch die Bundesregierung. Erst vor wenigen Wochen hat
Kanzlerin Merkel ihren Widerstand aufgegeben und sich ebenfalls dazu 
bekannt, bis 2050 die Treibhausgase auf Netto-Null zu reduzieren. 
Nur: Wie die beschleunigte CO2-Minimierung in Deutschland erreicht 
werden könnte, hat Merkel völlig offengelassen. Dabei droht 
Deutschland schon seine Vorgaben für 2030 zu verfehlen, wie die 
EU-Kommission soeben rügte. Was aber bringen 
Klimaschutzzusagen, die nur auf dem Papier stehen? Es spricht nicht 
gegen die osteuropäischen Regierungschefs, dass sie solche 
Versprechen ernst nehmen – und erst nachrechnen wollen, was die Pläne
in der Praxis bedeuten. Ein Drama ist das nicht, das Thema kommt 
gewiss auf Wiedervorlage. Eiliger sind die Personalentscheidungen. 
Aber auch hier ist in Wahrheit niemand von der Vertagung überrascht. 
Zu viele Regierungschefs sind aus parteitaktischen Gründen auf die 
Barrikaden geklettert, von denen sie erst noch heruntersteigen müssen
– allen voran Frankreichs Präsident Macron, der mit seinen liberalen 
Truppen ein verwegenes Spiel spielt. Auch Macrons Einfluss ist es zu 
verdanken, dass sich im EU-Parlament bisher keine Mehrheit für einen 
der Spitzenkandidaten gefunden hat, die Kommissionspräsident werden 
wollen. Noch aber laufen die Gespräche im Parlament. CSU-Vize Manfred
Weber, der zu Recht als Kandidat der stärksten Fraktion und als 
versierter Europapolitiker Anspruch auf das Präsidentenamt erhebt, 
hätte also noch eine Chance, „Mr. Europa“ zu werden. Die Frage 
ist nur, wie lange seine Partei hinter ihm steht. In Brüssel ließen 
sich Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel so deuten, dass sie
bereit sein könnte, Weber jetzt fallen zu lassen. Das aber wäre 
vorschnell und weder im Interesse Deutschlands noch des 
EU-Parlaments. Scheitert Weber, scheitern auch die anderen 
Spitzenkandidaten - die Tür wäre offen für jene Kungelei der 
Regierungschefs, die mit der Europawahl beendet sein sollte. Die 
Wähler dürften sich verschaukelt fühlen. So wäre das gerade erst 
gestiegene Ansehen des Parlaments rasch wieder verspielt.
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