Börsen-Zeitung: Abschied auf Raten, Kommentar von Stefan Kroneck zum angekündigten Börsengang der Siemens-Tochter Osram

Jetzt ist amtlich, worüber in den Wochen zuvor
schon spekuliert wurde: Siemens trennt sich von Osram via Börsengang.
Damit setzt der Dax-Riese nach Epcos (1999) und Infineon (2000) zum
dritten großen Initial Public Offering (IPO) einer Tochter an. Was
Investmentbanker aufgrund ihrer Hoffnung auf ein lukratives
IPO-Mandat und die Siemens-Aktionäre aufgrund ihrer Erwartung einer
Sonderausschüttung (Erlös aus Börsengang) in Verzückung versetzt,
wirft aber Fragen nach dem strategischen Sinn eines solchen Schritts
auf.

Klar, die Lichttechnik-Aktivitäten stehen vor einem Umbruch. Die
Glühbirne wird allerorten durch Leuchtdioden abgelöst, was für Osram
einen Investitionsbedarf in Milliardenhöhe bedeutet. Doch Siemens ist
dank einer prall gefüllten Firmenkasse von gut 16 Mrd. Euro mit
genügend Geld ausgestattet, um diese Herausforderung finanziell
bequem allein zu stemmen.

Die Risiken von Osram auf den Kapitalmarkt abzuwälzen, mag zwar
ein strategisch kluger Schachzug von Siemens-Chef Peter Löscher sein.
Es ist aber zugleich das Eingeständnis eines unternehmerischen
Scheiterns, obgleich Osram bis zuletzt als „Kernaktivität“ bezeichnet
wurde. Der Lichttechnik der Münchener gelang es nicht, Branchenführer
Philips zu überholen. Doch als Nummer 2 ließ es sich mit
Umsatzrenditen von zuletzt über 12% bisher auch gut leben.

Löscher und Finanzvorstand Joe Kaeser werfen mit Nebelkerzen, wenn
sie versichern, Siemens werde nach dem Börsengang als „Ankeraktionär“
bei Osram „langfristig“ engagiert bleiben. Die Erfahrung aus der
Vergangenheit lehrt, dass es – wie bei Infineon – ein Abschied auf
Raten sein wird.

Nach den Telekommunikationsaktivitäten trennt sich Siemens von
einem weiteren Konsumgütergeschäft, das mit der Gebäudetechnik, die
aber im Siemens-Reich verbleibt, einen wichtigen hausinternen Partner
für Synergien verliert.

Unter diesem Blickwinkel ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis
Siemens sich auch vom Hausgeräte-Gemeinschaftsunternehmen mit Bosch
verabschiedet, weil es ebenfalls nicht ins Konzern-Portfolio passt.
Geht das Management diesen Weg konsequent weiter, könnte Siemens
eines Tages eine börsennotierte Holding mit vielen, ebenfalls
börsennotierten Tochtergesellschaften sein. Schon mal darüber
nachgedacht, Herr Löscher?

(Börsen-Zeitung, 30.3.2011)

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