Börsen-Zeitung: Auf falschem Fuß erwischt, Kommentar zu Bayer von Annette Becker

Mit dem Bekanntwerden der Übernahmepläne für die
norwegische Algeta ist Bayer auf dem falschen Fuß erwischt worden.
Sind die Leverkusener normalerweise alles andere als wortkarg –
insbesondere wenn es um Forschungs- oder Zulassungserfolge geht -,
herrschte gestern beredtes Schweigen. Nicht einmal den „vorläufigen
Angebotspreis“ wollte man in Leverkusen bestätigen. Das tat
stattdessen das Objekt der Begierde. Algeta stellte klar, dass die
Offerte bei umgerechnet gut 40 Euro je Aktie liegt. Mithin summiert
sich das vorläufige Angebot auf knapp 1,8 Mrd. Euro.

Verglichen mit anderen Akquisitionen in der Healthcare-Industrie
nimmt sich die Übernahme klein aus, auch wenn die Zeit der
Mega-Mergers in der Pharma vorbei ist. Viele Unternehmen
konzentrieren sich mittlerweile auf den gezielten Erwerb einzelner
Wirkstoffe. Diesem Zug schließt sich Bayer nun mit Algeta an.

Nach dem Desaster mit dem Cholesterinsenker Lipobay Anfang des
Jahrtausends hatte sich Bayer zunächst aus weiten Teilen der
Pharmaforschung zurückgezogen und die Kräfte auf die Spezialgebiete
Onkologie und Kardiologie konzentriert. Mit der Übernahme von
Schering kam 2006 die Gynäkologie hinzu. Seither wird wieder in
größeren Maßstäben gedacht. Ermöglicht hat diese Entwicklung die
eigene Innovationskraft sowie eine kluge Einlizenzierungspolitik. Die
Forschungspipeline ist gut gefüllt, allein fünf Wirkstoffe sollen bis
2015 in die Phase III der klinischen Entwicklung überführt werden –
darunter auch ein Onkologie- Produkt. Darüber hinaus hat die
Vermarktung einiger vielversprechender Medikamente gerade erst
begonnen.

Dass sich der Weg auszahlt, belegt die Kursentwicklung. Binnen
zwei Jahren hat sich der Aktienkurs mehr als verdoppelt. Mit einer
Marktkapitalisierung von knapp 80 Mrd. Euro rangiert Bayer inzwischen
auf Rang 3 im Dax – nur Volkswagen und Siemens bringen mehr auf die
Waage. Milliardenschwerer Übernahmen bedurfte es dazu nicht. Insofern
pokern die Algeta-Investoren hoch, wenn sie auf einen kräftigen
Nachschlag setzen. Denn Bayer wird sehr genau abwägen, ob die mit der
Übernahme verbundenen Einsparungen bei den vereinbarten
Meilensteinzahlungen für Algeta einen höheren Preis rechtfertigen. In
der jüngeren Vergangenheit hat sich Bayer zumindest nicht auf
Bieterschlachten eingelassen. Fast wirkt wie es wie ein Zeichen, dass
sich die Leverkusener vor ziemlich genau einem Jahr aus dem
Bieterwettstreit um Schiff Nutrition zurückzogen.

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