Börsen-Zeitung: Auf in neue Märkte, Kommentar zu milliardenschweren Übernahmen japanischer Unternehmen von Walther Becker

Nach nicht einmal zwei rezessionsfreien Jahren
ist Japan wieder in der Krise. Auslöser sind das verheerende
Erdbeben, der Tsunami und die Atomkatastrophe von Fukushima im März.
In der Bilanz für das Bruttoinlandsprodukt sind bloß 20 Tage aus der
Zeit nach der Katastrophe enthalten – die Folgen sind gewaltig.
Infolge der Zerstörungen wurden Investitionen gestoppt, Lieferungen
innerhalb des Landes und über die Grenzen unterbrochen. Realeinkommen
und Binnennachfrage sind eingebrochen. Besonders empfindlich traf es
die Autoindustrie mit Toyota an der Spitze.

Doch nicht bei allen Konzernen des Landes herrscht Depression. Not
macht erfinderisch. Allein am Donnerstag wurden zwei
milliardenschwere Übernahmen aus Japan verkündet: Takeda Pharma und
Toshiba kaufen für zusammen 16 Mrd. Dollar in Europa ein. Die
Akquisition von Nycomed, zu der auch die frühere Altana-Pharma zählt,
ist der größte Erwerb im Ausland nach dem Kauf der britischen
Gallaher durch Japan Tobacco vor fünf Jahren. Takeda, die 2008
Millennium in den USA für 8,4 Mrd. Dollar geschluckt hatte, übernimmt
von Finanzinvestoren Nycomed für 9,6 Mrd. Euro, Toshiba zahlt 2,3
Mrd. Dollar für die Schweizer Landis+Gyr, den Weltmarktführer in
intelligenter Strommessung. Mit grenzüberschreitenden Deals setzen
die mit hohen Cash-Beständen ausgestatteten Unternehmen Nippons
darauf, in Europa zu expandieren. Die Konzerne haben starke
Liquidität auf den Bilanzen. Wenn sie mit den Währungsrelationen zu
Euro und Dollar überleben wollen, dürfen sie nicht mehr allein in der
Heimat verankert sein. Und der durch die Repatriierung von Mitteln
nach der Katastrophe und trotz Rezession starke Yen verschafft
Chancen, günstig einzukaufen. Hinzu kommt die Null-Zins-Politik
Tokios.

Japanische Unternehmen drängen so nach Jahren der Konzentration
auf den Binnenmarkt stärker nach draußen. Und sie können da, wo sie
Ziele ausmachen, auch aggressiv vorgehen, um sich zu globalisieren.
Als Ziele kommen in erster Linie Konzerne in Frage, die stark sind in
den Wachstumsregionen. So hängt Takeda bis heute zu mehr als 80% am
Tropf Nippons und Nordamerikas.

So paradox es klingt: Ausgerechnet in der Zeit nach der größten
Katastrophe ihrer Geschichte kehren die japanischen Unternehmen
verstärkt auf die weltwirtschaftliche Bühne zurück. Das ist nur
logisch und konsequent. Für Verkäufer im Westen mit Assets in
Wachstumsregionen kommen Bieter aus Japan wieder verstärkt in Frage.

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