Die US-Zölle auf Stahl und Aluminium, die
vorgeblich der nationalen Sicherheit dienen, waren nur der Auftakt
für eine Kettenreaktion. Inzwischen verlaufen die Fronten im globalen
Handelsstreit nicht nur zwischen China, Europa und den USA. Die
Aufkündigung regelbasierten Handelns durch US-Präsident Trump führt
zu Interessenkollisionen neuer Art innerhalb der großen
Wirtschaftsblöcke. Europas Unternehmen ist es nicht mehr möglich,
gemeinsam ihre Interessen in der Handelspolitik zu vertreten. Jeder
kämpft gegen jeden – und holt das Beste für sich raus.
So tritt nun die Autoindustrie gegen die Stahlindustrie an.
Europas Stahlhersteller wie ArcelorMittal oder Thyssenkrupp wähnen
den europäischen Markt durch den Umlenkungseffekt der US-Zölle bald
von billigem Stahl aus Russland, dem Iran oder der Türkei
überschwemmt, der bisher nach Amerika geliefert wurde. Sie fordern
EU-Importbeschränkungen, damit die Stahlpreise nach der kurzen
Erholung von der chinesischen Importschwemme nicht schon wieder
abstürzen. Dagegen führt Europas Autoindustrie eigene Interessen an:
In einem Brief ihres Verbands Acea an Handelskommissarin Cecilia
Malmström pochen Unternehmen wie Volkswagen, Daimler, Renault darauf,
dass es für ihre Industrie vital sei, Stahl und Bleche in guter
Qualität und zu wettbewerbsfähigen Preisen einzukaufen. Um die Wucht
des Vorstoßes zu erhöhen, hat sich die Autoindustrie mit anderen
Stahlverarbeitern wie der Bauindustrie oder den Landmaschinenbauern
zusammengetan.
Was EU-Kommissarin Malmström zum Schutz der Stahlindustrie erwägt,
ist keine Kleinigkeit. Die Importbeschränkungen würden 26 Stahlsorten
oder rund 40% der EU-Stahlimporte im Wert von jährlich 22 Mrd. Euro
betreffen. Malmström steht vor einem Dilemma: Tut sie nichts, dann
wird Europas Stahlindustrie zum indirekten Opfer von US-Zöllen.
Leitet sie Importbeschränkungen in die Wege, dann könnten die
europäischen Autohersteller, das Kronjuwel der heimischen Industrie,
zum Opfer steigender Kosten werden.
Das Hauen und Stechen der Lobbygruppen zeigt, wie schwer es der
internationalen Gemeinschaft fällt, auf Trumps schon mehrere Male
praktizierte Missachtung jeglicher internationaler Vereinbarungen
angemessen zu reagieren. Die Gefahr besteht, dass auch die Europäer
sich vom regelbasierten Handeln verabschieden. Die Hoffnung muss
sein, dass bedeutende Wählergruppen in den USA durch die Reaktionen
in Europa und China auf Trumps Politik so geschädigt werden, dass er
abgewählt wird.
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