Angela Merkel ist auf ihrer mittlerweile fünften
China-Visite als Bundeskanzlerin, aber von Routinebesuch kann keine
Rede sein. Angesichts der Bedeutung der Handelsbeziehungen zwischen
zwei Exportmeistern sind solche bilateralen Treffen immer eine große
Sache und werden auch in China so wahrgenommen. Denn jegliche
atmosphärische Annäherung findet einen prompten wirtschaftlichen
Niederschlag. Die mitgereisten Spitzenvertreter deutscher Unternehmen
werden ihre Zeit nicht verschwendet haben.
Diesmal aber hat der Besuch eines deutschen Regierungsoberhaupts
in China eine so nie dagewesene europäische Dimension. Die
Führungsrolle Deutschlands in Sachen Wege aus der EU-Schuldenkrise
schafft neue Voraussetzungen. Für die Pekinger Staatsführung kommt
Merkels Visite einem Sino-EU-Spitzentreffen gleich: eine gute
Gelegenheit, aus besonders berufenem Mund zu hören, wie es um die
Stabilität der Eurozone nach den weitreichenden Brüsseler
Gipfel-Beschlüssen in Sachen Fiskaldisziplin bestellt ist.
Die EU-Krise setzt der chinesischen Wirtschaft in einem Maße zu,
die das Geplänkel um Angewiesenheit Europas auf chinesische „Hilfen“
stark relativiert. Merkel hütet sich denn auch, in Peking die
Bettelschüssel für EU-Zwecke herumzureichen oder Druck in Sachen
Bondkäufe zu machen. Aber sie wird Präsident Hu Jintao und
Premierminister Wen Jiabao zu vermitteln wissen, wie wichtig es für
die Vertrauensbildung an den Märkten ist, wenn von China positive
Signale zur unterstützenden Begleitung eines sinnvollen
EU-Reformkurses kommen.
Egal was man sich dabei in Brüssel konkret wünschen mag, ist das
Timing gut. In China ist es wichtig, dass zunächst der wahre „Boss“
seine Aufwartung macht. So wird der Boden bereitet, auf dem untere
Chargen konkret verhandeln dürfen. In Kürze werden EU-Ratspräsident
Herman van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zum
offiziellen 14. China-EU-Gipfel anreisen. Es gibt auch abseits der in
Peking Kopfschütteln verursachenden Iran-Sanktionen jede Menge
Reibungspunkte vom Level Playing Field für westliche Firmen in China,
über Exportbeschränkungen für Hightech-Produkte bis zu
Investmentbarrieren für chinesische Adressen im EU-Raum. So ist die
Prioritätenfolge bei Merkels China-Besuch klar konfiguriert. Erst
einmal in Peking Eisbrecher für EU-Belange spielen und dann mit gutem
Gewissen und einem deutschen Unternehmertross in Guangzhou, der
Industriehochburg am Perlflussdelta, nach dem Rechten sehen.
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