Portugal ist unter den Rettungsschirm
geflüchtet. Und wie sieht die Reaktion der Bond- und Credit-Märkte
aus? Von Erleichterung weit und breit keine Spur. Warum sollten die
Akteure auch mit Erleichterung auf den Hilferuf reagieren? Der
Schritt galt seit Wochen als überfällig, einige Marktteilnehmer
erwarteten ihn schon im vierten Quartal, als Dublin in Brüssel
anrief.
Selbst ein in Staatsrefinanzierungsfragen unbedarfter Betrachter
dürfte zum Schluss erkannt haben, dass der Zickzackkurs der
portugiesischen Schuldenmanager durch die Märkte nicht zu einer
soliden Staatsrefinanzierung, sondern nur zum Rettungsfonds führen
kann. Wenn ein Staat die Rentenversicherung oder Versicherungen einer
staatseigenen Bank tatsächlich drängt, heimische Staatsanleihen zu
kaufen, um darüber noch finanzielle Stärke zu demonstrieren, dann
erinnert das schon sehr an Auswüchse der Subprime-Krise:
Hypothekenschuldner beglichen die nächste Rate für die
Ramschimmobilie mit der Kreditkarte und „demonstrierten“
Zahlungsfähigkeit bzw. Kreditwürdigkeit. Das Prinzip rechte Tasche –
linke Tasche funktioniert eben nicht lange. Das musste sich auch
Lissabon eingestehen.
Es gibt aber noch eine weitere Erklärung, warum die große
Erleichterung ausgeblieben ist, und wieder zeigt sich eine Parallele
zur Subprime-Krise. Als im Sommer 2007 die ersten Banken im Zuge des
Hypothekenkollapses umkippten, reagierten Zentralbanken mit
Zinssenkungen. Der erste Lockerungsschritt wurde bejubelt. Spreads
engten sich rund drei Wochen lang ein. Die nächsten Zinsschritte
riefen an den Märkten schon wesentlich weniger Freude hervor, bis die
Wirkung schließlich ganz verpuffte. Mit billigem Geld ist nicht zu
beheben, was durch billiges Geld ausgelöst wurde, schon gar keine
fundamentalen Fehlentwicklungen – so die Begründung für den
ausbleibenden Jubel damals.
Wie ähnlich ist die Entwicklung doch in der Staatsschuldenkrise.
Der Bail-out von Griechenland vor knapp einem Jahr, das später
geschnürte Rettungspaket für den Euro und die Schützenhilfe durch die
Europäische Zentralbank in Form von Staatsanleihekäufen in den
Eurozonen-Peripherieländern führten ebenfalls zu Spread-Einengungen.
Getreu der Devise: Das Problem wurde erkannt, die Verantwortlichen
unternehmen etwas. Bei Irland rund ein halbes Jahr später war die
Reaktion schon verhaltener. Bei Portugal ist sie nun ganz
ausgeblieben.
Griechenland, Irland und Portugal konnten letztendlich nicht
anders, als die Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Gemeinschaft steht
ihnen bei, dafür wurden die Hilfsmechanismen ins Leben gerufen. Doch
eines ist klar: Die Liquidität, die nach Athen und Dublin geflossen
ist und nun Lissabon helfen soll, darf nur eine Überbrückung sein. In
den nächsten Tagen werden die Details der Portugal-Hilfe
ausgehandelt, die Summen festgelegt und ein Konditionenkatalog
vereinbart. Auch das haben die Marktakteure schon einmal gesehen –
bei Griechen und Iren. Wieder werden Reformen angemahnt und ein
strikter Sparkurs gefordert werden, festgemacht an einem deutlich zu
drückenden Haushaltsdefizit. Kurzum: Die fundamentale Situation des
Landes muss extrem verbessert werden. Lissabon wird Versprechen
abgeben.
Die Ratingagenturen werden die fundamentale Entwicklung verfolgen
und – wenn den Worten wieder einmal keine Taten folgen oder zu
halbherzig agiert wird – den Daumen senken, d.h. die Ratings
verschlechtern. Damit geraten die Bonds nochmals unter Druck.
Folglich steigen die Renditen, und zwar über das gegenwärtige Maß
hinaus, womöglich noch sehr deutlich, wie am Beispiel Griechenland
abzulesen ist. Die Rückkehr dieser Länder an die Kapitalmärkte
verschiebt sich damit in die Ferne. Hinzu kommt, dass bei einem
Verlust des Investment-Grade-Ratings diese Länder bzw. deren Bonds
aus wichtigen Staatsanleiheindizes wie iBoxx oder den
Barclays-Indizes herausfallen. Investoren, die nur Staatsanleihen mit
Investment-Grade halten dürfen, werden zu Verkäufen gezwungen.
Weiterer Druck entsteht, bis fast nur noch Hedgefonds oder Distressed
Debt Funds die hochvolatilen Anleihen anfassen.
Was erwartet der Markt denn bei Griechenland – ein Jahr nach dem
Hilferuf – sowie bei Irland nach sechs Monaten und nun bei Portugal?
Bei Griechenland wird beim aktuellen Spread der Absicherungskontrakte
Credit Default Swaps (CDS) von rund 1000 Basispunkten (BP) und der
Annahme einer Rückzahlung von 40% des Nominals einer Anleihe mit
einer Wahrscheinlichkeit von über 58% mit einem Kreditereignis
(Default) – z.B. Restrukturierung – gerechnet. Bei Irland liegt diese
Wahrscheinlichkeit bei rund 37% und bei Portugal bei 38%. Das zeigt
deutlich, wovon der Markt trotz Rettungspaketen ausgeht: Der Default
kommt.
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