Auf den ersten Blick ist die konjunkturelle Lage
nicht so schlecht wie von vielen Ökonomen und Analysten befürchtet.
Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist am Freitag deutlich über den
Erwartungen hereingekommen: Die Konsensschätzung der Ökonomen von
106,4 Zählen wurde mit einem tatsächlichen Wert von 106,8
übertroffen. Der Index ist damit erneut – wenn auch nur ganz leicht –
gestiegen, während ein Rückgang vorausgesagt worden war.
Auch in den USA fielen die Makrodaten zum Wochenausklang recht
freundlich aus. Die Auftragseingänge für langlebige Konsum- und
Investitionsgüter legten um satte 2% zu, wenn man die notorisch
volatilen Bestellungen aus dem Flugzeugsektor ausklammert. Am
Aktienmarkt hat sich daraufhin am Freitag Erleichterung breitgemacht.
Der Dax verzeichnete ein sattes Plus von 1,8%, nachdem er drei Tage
lang Verluste erlitten hatte. Und auch der Euro präsentierte sich
sehr fest. Er kletterte auf fast 1,35 Dollar. Weil der Greenback als
„sicherer Hafen“ in Krisenzeiten gilt, könnte man die stärkere
Nachfrage nach Euro-Anlagen als Indiz für eine nun endlich zunehmende
Risikobereitschaft interpretieren.
Dass aus Sicht der Investoren dennoch nicht eitel Sonnenschein
herrscht, lässt sich an anderen Entwicklungen erkennen: So
verzeichnet der Goldpreis derzeit praktisch jeden Tag neue
Allzeithochs. Am Freitag notierte er erstmals über der Marke von 1300
Dollar je Feinunze. Nun muss ein großes Interesse der Anleger an dem
Edelmetall nicht in jedem Fall auf Krisenängste hindeuten. In den
vergangenen Jahren ist der Goldpreis auch häufig ein Spielball der
Spekulation gewesen. Aktuell scheint dies aber weniger der Fall zu
sein, weil noch andere Indikatoren darauf hindeuten, dass die Lage
von vielen Marktteilnehmern als durchaus ungemütlich angesehen wird.
So halten sich beispielsweise die Risikoaufschläge für irische
Staatsanleihen gegenüber den als besonders risikoarm eingestuften
Bundesanleihen hartnäckig auf sehr hohen Niveaus: Während die
Bundesrepublik 2,35% Rendite zahlen muss, wenn sie sich für zehn
Jahre Geld leiht, werden von Irland derzeit 6,6% verlangt, wenn man
die Notierungen am Sekundärmarkt zugrunde legt. Der Renditeabstand
zwischen den zehnjährigen Staatspapieren Irlands und Deutschlands ist
am Freitag mit 451 Basispunkten auf den höchsten Stand seit der
Euro-Einführung gestiegen.
Irland gilt als das schwächste Glied der Kette, wenn die
Schuldenkrise der Europäischen Union (EU) wieder hochkochen sollte.
Die Marktteilnehmer hegen starke Zweifel, ob die EU fähig oder
willens ist, das Land zu stützen, wenn dieses nicht mehr in der Lage
sein sollte, sich über den Markt zu refinanzieren. Erst in der
vergangenen Woche hat Irland zwar noch 1,5 Mrd. Euro aufnehmen
können. Allerdings waren die Konditionen aus Sicht des irischen
Staates so ungünstig, dass sich der irische Notenbank-Gouverneur zu
der Bemerkung veranlasst sah, es müssten die Sparpläne der Regierung
angesichts des ungünstiger werdenden Umfelds noch einmal überarbeitet
werden. Dabei hat der radikale Sparkurs Dublins und die Implosion des
irischen Bankensystems bereits jetzt drastische Auswirkungen. Im Jahr
2009 fiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 11% in sich zusammen.
Eine nachhaltige Trendwende ist noch nicht zu erkennen, denn auch im
zweiten Quartal 2010 wurde noch ein Rückgang des BIP verzeichnet.
Wie die US-Notenbank Federal Reserve jetzt durchblicken ließ, sind
auch in den USA die Dinge nicht zum Besten bestellt. Im Communiqué
zur Zinssitzung ihres Offenmarktausschusses ließ sie verlauten, dass
sie Gewehr bei Fuß steht, um die Konjunktur mit neuerlichen
quantitativen Maßnahmen zu stützen. Auch dies war zwar am Aktienmarkt
positiv aufgenommen worden, an den Geld- und Bondmärkten sind die
Investoren aber ins Grübeln gekommen. Wie schlimm muss es um die
US-Konjunktur wirklich stehen, darf man sich fragen.
Wie es scheint, hat sich der Aktienmarkt derzeit der trüben
Realität ein wenig entzogen. Sollten in der neuen Börsenwoche
US-Frühindikatoren wie der ISM-Index schwach hereinkommen, dürften
sich die jüngsten Kursgewinne wieder abbauen.
(Börsen-Zeitung, 25.9.2010)
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