Börsen-Zeitung: Die Software regiert, Kommentar von Sebastian Schmid zur angekündigten Übernahme des Handyherstellers Motorola Mobility durch Google

Nach Onlinesuche, sozialem Netzwerk, Handy- und
PC-Software macht Google auch noch in Hardware: So könnte die
Übernahme des Handyherstellers Motorola Mobility durch den
Internetgiganten auch interpretiert werden. Allerdings nur, wenn
ausgeblendet wird, wie das Google-Management um CEO Larry Page die
mit 12,5 Mrd. Dollar größte Akquisition der Unternehmensgeschichte
rechtfertigt.

Das über 17000 Patente umfassende Portfolio des Handy-herstellers
werde Google helfen, sich gegen die von Apple und Microsoft
lancierten juristischen Attacken auf die Smartphone-Software Android
zu verteidigen, betont Page. Motorola werde zwar auch künftig
Android-Smartphones produzieren. Die Hardware-Partnerschaften mit
Motorola-Rivalen wie HTC oder Samsung will die neue Mutter derweil
weiter pflegen. Android bleibe ein offenes Betriebssystem, versichert
der Google-Mitgründer.

Mit der Mega-Akquisition dürfte indes eine Entwicklung zu ihrem
Ende kommen, die mit der Einführung von Apples iPhone vor rund vier
Jahren ihren Anfang nahm – die Entmachtung der Mobiltelefonanbieter
durch die Softwarekonzerne. Wenn Google von Wettbewerbern im
Smartphone-Geschäft spricht, hat der Konzern nicht mehr Nokia auf dem
Radar sondern Apple oder Microsoft. Dass die Aktien der
Hardwarehersteller Nokia und Research in Motion am Montag in die Höhe
geschossen sind, darf daher nicht als Zeichen wiederkehrenden
Vertrauens interpretiert werden. Der weltgrößte Handyhersteller gilt
längst als angezählt – spätestens seit das Unternehmen die eigenen
Softwareambitionen aufgegeben hat, um auf Microsofts Windows Phone 7
zu setzen. Das Betriebssystem bekommt im Smartphone-Markt bislang
indes kein Bein auf den Boden und führt im Vergleich zu Apples iOS
und Googles Android ein Schattendasein.

Nokia hat bis heute kein einziges Windows-Smartphone vorgestellt,
geschweige denn den Verkauf gestartet. Um die Entwicklung zu
beschleunigen, könnte Microsoft die Finnen übernehmen, spekulieren
Marktbeobachter. Zumal mit Stephen Elop ein Ex-Microsoft-Manager an
der Konzernspitze steht und Nokia wie Motorola zahlreiche
Mobilfunk-Patente besitzt, die für Microsoft interessant sein
dürften. Der Blackberry-Anbieter Research in Motion gilt ebenfalls
als Übernahmekandidat mit interessanten Schutzrechten.

Die Jagd nach der Krone im Smartphone-Markt werden die
Softwarespezialisten Apple, Google und Microsoft wohl unter sich
ausmachen. Hardwarehersteller wie Nokia sind spätestens seit gestern
Freiwild.

(Börsen-Zeitung, 16.8.2011)

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