Börsen-Zeitung: EU eint Autoindustrie, Kommentar von Peter Olsen zu den Plänen der EU-Kommission für eine am Energiegehalt orientierte Besteuerung von Kraftstoffen

Dass die EU-Kommission ein Faible für populäre
Maßnahmen hat, kann man wirklich nicht behaupten. Kein Wunder, dass
in der breiten Öffentlichkeit der Frust über das, was aus Brüssel
kommt, seit langem zunimmt. In einer Phase, in der Europa um den
Bestand der Gemeinschaftswährung ringt und die Schuldenkrise in den
Griff zu bekommen versucht, auch noch so heiße Eisen wie eine am
Energiegehalt orientierte Besteuerung von Kraftstoffen anzupacken,
zeugt von (Über)Mut.

Der Aufschrei in Politik und Wirtschaft, aber auch bei
Lobby-Gruppen wie ADAC war vorhersehbar. Der Applaus von Seiten der
Umweltverbände ebenso. Aber anders als bei der Durchsetzung
ambitionierter CO2-Abgasziele schafft es die Kommission dieses Mal,
die Autoindustrie europaweit zu einen. Denn nicht allein die
deutschen Hersteller reklamieren die Diesel-Kompetenz für sich, auch
die französischen Nachbarn sind traditionell dem sparsamen
Selbstzünder sehr verbunden, in Italien (nicht in Deutschland) wurden
die ersten Grundlagen für moderne Diesel-Einspritzsysteme (Common
Rail) gelegt.

Die Kraftstoffpreise sind traditionell maßgeblich vom hohen
Steueranteil geprägt. Wo Diesel je Liter billiger angeboten wird als
Benzin, ist die Neigung, ein Fahrzeug mit Dieselantrieb zu erwerben,
höher als dort, wo Diesel von jeher teurer ist – wie in der Schweiz.
Was die EU-Kommission unter dem Deckmantel einer „gerechten und
transparenten Energiebesteuerung“ auf lange Sicht den
Mitgliedsländern vorschreiben will, ist eine Zwangsharmonisierung von
Steuern, zu der sie ansonsten, ob bei Mehrwertsteuer oder
Einkommensteuer, nicht imstande ist.

Wen träfe ein irgendwann verteuerter Dieselkraftstoff? Zu
allererst das Transportgewerbe, das die Frachtraten erhöhen müsste
mit möglichen Preisüberwälzungen über alle Produkte hinweg. Zum
Zweiten alle Fahrer von Diesel-Pkw über erhöhte Tankrechnungen,
sofern die ohnehin höhere Kfz-Steuer für Diesel-Pkw nicht reduziert
wird. Auch die Wiederverkaufswerte von Diesel-Pkw dürften sinken. Das
wiederum kann im Flottenmanagement von Großkunden dazu führen, dass
künftig wieder Benzinfahrzeuge den in der Anschaffung schon teureren
Diesel-Pkw vorgezogen werden. Das kann den Herstellern nicht
schmecken.

Aber die Autoindustrie, die Milliarden in moderne
Dieseltechnologie gesteckt hat, weil nur mit den sparsamen Antrieben
die gesenkten CO2-Ziele erreicht werden können, ist in Sachen Attacke
auf den Diesel Kummer gewohnt. Sie wird auch dieses Mal wieder die
Kurve kriegen.

(Börsen-Zeitung, 14.4.2011)

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