Börsen-Zeitung: Fehlende Exit-Strategie, Kommentar zur Opec von Dieter Kuckelkorn

Die großen Ölförderländer haben mit ihrer
Entscheidung zur Verlängerung der Förderkürzungen um neun Monate bis
Ende 2018 genau das beschlossen, was die Marktteilnehmer erwartet
haben. Am Ölmarkt hat es darauf eine verhalten positive Reaktion
gegeben. Letztlich hat sich damit Saudi-Arabien durchgesetzt, das
diese „große Lösung“ befürwortete. Russland, das eigentlich die
„kleine Lösung“ einer Verlängerung um sechs Monate wollte, hat sich
kompromissbereit gezeigt. Der russische Ölminister Alexander Nowak
konnte aber erreichen, dass es anlässlich des Ölministertreffens im
Juni eine Überprüfung der Ziele der „erweiterten“ Opec gibt.

Das Kartell hat damit bewiesen, dass es trotz des sich weiter
zuspitzenden Machtkampfes zwischen Saudi-Arabien und dem Iran
handlungsfähig ist. Das dokumentiert sich auch darin, dass sich
erstmals auch die von den Kürzungen bislang befreiten Länder Nigeria
und Libyen den Förderquoten unterworfen haben und ihre Produktion
nicht weiter steigern wollen.

Zumindest auf den ersten Blick sieht es jetzt danach aus, als habe
die Opec den Ölmarkt wie in den für sie goldenen 1970er Jahren in der
Hand – wenn auch diesmal dank der tatkräftigen Unterstützung des
Nichtmitglieds Russland.

Die verhalten positive Marktreaktion sollte aber nicht darüber
hinwegtäuschen, dass sich die Zeiten geändert haben. Insofern ist die
von Russland durchgesetzte Überprüfung zur Jahresmitte von großer
Bedeutung. Allerdings fehlen noch sämtliche Details zum
Exit-Mechanismus der Kürzungen im Rahmen der Überprüfung. Zwar sind
die Lagerbestände der OECD-Staaten noch nicht wieder auf dem von der
Opec angepeilten Fünfjahresdurchschnitt angekommen – wenn man die von
Saudi-Arabien bevorzugte mengenmäßige Sichtweise anwendet. Wenn man
dagegen, wie Russland argumentiert, die Lagerbestände dynamisch in
Nachfragetagen misst, sind die Produzenten ihrem Ziel schon deutlich
näher gekommen. Es besteht daher durchaus die Gefahr, dass die Opec
über ihr Ziel hinausschießt. Das würde zu einem zeitweilig deutlich
steigenden Ölpreis führen und damit auch unweigerlich zu einer
kräftigen Produktionssteigerung der US-Schieferölindustrie sowie
anderer Förderländer mit ungünstiger Kostenstruktur. Das würde den
Ölpreis dann wiederum stark unter Druck setzen – was nicht im
Interesse der Opec wäre. Mit dem aktuellen Beschluss hat sich die
Opec noch keine geeignete Reaktionsmöglichkeit gegeben.

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