Börsen-Zeitung: Friends&Family, Kommentar von Walther Becker zur weiterhin rückläufigen Zahl der Aktionäre

Und wieder sind es weniger. Die Zahl der
Aktionäre und Besitzer von Fondsanteilen ist im zweiten Halbjahr 2010
um fast eine halbe Million gesunken. Damit waren immerhin noch 8,2
Millionen Bundesbürger direkt oder indirekt in Dividendentiteln
engagiert. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) beklagt angesichts
dieser Zahlen einen „schweren Rückschlag für die Aktienakzeptanz“. Es
bedürfe großer Anstrengungen aller Beteiligten, enttäuschte Anleger
zurückzugewinnen, meint die Lobby.

Doch wer will nach den Erfahrungen mit wankelmütigen
Kleinaktionären bei Börsengängen noch um den Mann von der Straße
werben? Investmentbanken, die bei IPOs ein gewichtiges Wörtchen
mitzureden haben, sicher nicht. Sie scheuen die Privatleute, die auf
schnelle Zeichnungsgewinne setzen, und versuchen deshalb, deren
Anteil so gering wie möglich zu halten – auch wenn dies keiner laut
sagt. Juristen? Gleich gar nicht, sie fürchten Prospekthaftungsklagen
und wollen so viel Geheimhaltung wie irgend möglich. Unternehmen?
Kein Manager möchte in die Hände nörgelnder Gesellschafter fallen,
die sich auf der Hauptversammlung wichtig nehmen und mit nur wenigen
Aktien Sand ins Getriebe streuen.

Banken helfen mit ihrer Gebührenpolitik der Aktienakzeptanz auch
nicht auf die Beine. Kapitalanlagegesellschaften verkaufen lieber
Zertifikate mit Schnickschnack, den Kleinanleger nicht verstehen, als
für Aktien die Werbetrommel zu rühren. Gezielt wird auf Asset Manager
– denn das sind die „Kapitaltöpfe“, auf deren Entscheidungen auch die
Investoren in London oder New York schauen, wenn neue Aktien ins
Rennen gehen: DWS, Deka oder AGI sind die Ankeraktionäre, auf sie
kommt es an.

Auch wenn es sich um öffentliche Angebote handelt, ähneln
Börsengänge inzwischen eher Privatplatzierungen. Die Investmentbanken
versuchen, das meiste für die Altgesellschafter herauszuholen, ohne
den Investoren einen „Underperformer“ anzudrehen. Geschachert wird im
kleinen Kreis im Hinterzimmer statt auf dem offenen Marktplatz; das
Postbank-IPO steckt so manchem Marktteilnehmer noch in den Knochen.
Bei Kabel Deutschland sollen es nur um die 30 institutionelle
Investoren gewesen sein, die am Ende dafür sorgten, dass das IPO
„geflogen“ ist. Es geht längst um eine neue Form des altbekannten
„Friends & Family“. Und mit diesem Kreis sind definitiv keine
Kleinanleger gemeint.

(Börsen-Zeitung, 26.1.2011)

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