Die Europäische Kommission hat derzeit keinen
leichten Stand. Kritiker geben ihr eine Mitschuld am Ausgang des
Brexit-Referendums. Und die Gefahr, dass in der jetzigen Situation
ein Pochen auf strikte Sparpolitik sowie Sanktionen für die
notorischen Defizitsünder in Südeuropa ein weiteres
Auseinanderdriften in Europa eher fördert als verhindert, steht ja
ebenfalls im Raum.
Dass die EU-Kommission sich jetzt vor diesem Hintergrund dennoch
dazu durchgerungen hat, die Verfahren gegen Spanien und Portugal so
voranzutreiben, dass dies schon in absehbarer Zeit zum ersten Mal
seit Einführung des Euro zu Strafen wegen verfehlter Haushaltspolitik
führen könnte, ist nur zu begrüßen. Denn zur EU-Verdrossenheit in
vielen Ländern hat ja auch beigetragen, dass sich die Union Regeln
gegeben hat, die immer wieder folgenlos gebrochen wurden oder die
dann wachsweich ausgelegt wurden. Für die Glaubwürdigkeit der
EU-Kommission und der ganzen Europäischen Union wäre es das
Schlimmste gewesen, hätten Spanien und Portugal jetzt noch weitere
Galgenfristen bekommen. Die Faktenlage war einfach zu eindeutig.
Man kann der EU-Exekutive, die ja die Hüterin der Gesetze ist,
vorwerfen, dass sie sich nicht schon früher getraut hat,
entschlossener für den Stabilitäts- und Wachstumspakt einzutreten.
Auch im Mai, als die Kommission eine Entscheidung zu Spanien und
Portugal vertagt hatte, lagen ja schon alle Fakten auf dem Tisch, an
denen sich bis heute nichts geändert hat. Ob die Wahl in Spanien im
Juni ein hinreichender Grund für eine Verschiebung war, kann durchaus
angezweifelt werden. Auch heute weiß ja niemand, wie die künftige
Regierung in Madrid genau aussehen wird.
Die EU-Kommission hat jetzt aber noch einmal klargestellt, dass
Haushaltsziele auch einzuhalten sind. Spanien und Portugal drohen
damit durchaus fühlbare Sanktionen, die bis zu 0,2% des
Bruttoinlandsprodukts betragen können, sowie die Streichung von bis
zur Hälfte der aus dem europäischen Struktur- und Investitionsfonds
zugesagten Mittel. Dass diese Möglichkeiten ausgeschöpft werden, ist
kaum zu erwarten. Dies haben auch die zuständigen Kommissare in
Brüssel bereits mehr als deutlich gemacht.
Dies muss auch nicht sein. Die Hauptsache ist, die EU-Behörde
erliegt nicht noch der Versuchung, im Endeffekt eine Sanktion von 0
Euro festzulegen – was auch im Bereich des Möglichen wäre. Der
Glaubwürdigkeitsverlust für das gesamte europäische Projekt wäre
gewaltig.
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