Börsen-Zeitung: Gelber Pragmatismus, Kommentar von Bernd Neubacher zu den Kapitalmaßnahmen der Commerzbank

Die Commerzbank weiß, wie man sich Schritt für
Schritt finanziellen Spielraum verschafft. Im November erst
informierte sie über eine Abschreibung auf die Tochter Eurohypo, dank
deren ihr Zinszahlungen von 1,5 Mrd. Euro auf die stillen Einlagen
des Staates erspart bleiben werden, falls diese Belastung das
Ergebnis der AG nach HGB ins Minus drücken sollte. Nun wird ein
Tausch von Hybrid- in Eigenkapital lanciert, der das Eigenkapital
einschließlich der Gewinne aus den Rückkäufen um abermals rund 1Mrd.
Euro stärken dürfte. Eine Milliarde hier, eine Milliarde dort, und
bald schon geht es um richtig viel Geld, scheint das Motto zu lauten.
Gegen solchen Pragmatismus ist auch nichts einzuwenden. Das Problem
ist, dass die Commerzbank, um den Staat auszuzahlen, nicht die eine
oder andere Milliarde braucht, sondern rund 18 Mrd. Euro.

Mit dem angestrebten Exit der öffentlichen Hand hat der Tausch von
Hybrid- in Eigenkapital nichts zu tun, signalisiert die Bank. Zu
Recht – wenn überhaupt, könnte die Transaktion, welche die
Beteiligung des Staates eben nicht vermindert, die Emanzipation von
Vater Staat verzögern: Hat eine Aktienemission wie die gestern von
der Commerzbank angekündigte den Kurs erst einmal nahe des
52-Wochen-Tiefs gedrückt, braucht es nicht mehr viel Mut zur
Ankündigung, im ersten Quartal werde die Bank keine weitere
Kapitalerhöhung bekannt geben.

Tatsächlich könnte sich das kurzfristige Bestreben, jedes sich
bietende Fenster zur Kapitalstärkung zu nutzen, noch als kurzsichtig
erweisen, leidet doch die langfristige Konsistenz der
Kapitalmarktkommunikation. Bislang war jedenfalls zu hören gewesen,
die Commerzbank wolle im Fall einer Kapitalmaßnahme klotzen und nicht
kleckern. Auch hatte Commerzbank-Chef Martin Blessing auf der
Bilanzpressekonferenz im Februar vergangenen Jahres erklärt,
langfristig sei die Tier-1-Kernkapitalquote mit 10,5% mehr, als die
Bank brauche; 7 bis 9% reichten aus. Der Tausch von Hybrid- in
Eigenkapital lässt nun sogar die harte Kernquote erst einmal über 10%
steigen.

Am Donnerstag haben sich die Anleger um solche Aspekte freilich
nicht geschert und fleißig Aktien gezeichnet. Zeigen sie sich ähnlich
pragmatisch wie die Bank, wenn es an deren Rekapitalisierung geht,
dann hat das Institut alles richtig gemacht.

(Börsen-Zeitung, 14.1.2011)

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