Börsen-Zeitung: Glücksschweine im Anmarsch, Kommentar von Norbert Hellmann zum Anstieg der Inflationsrate in China

Inmitten des Sauwetters an den Weltbörsen eine
vielleicht gute Nachricht: In China sind wieder mehr Schweine
unterwegs. Das dürfte zur Dämpfung des Lebensmittelpreisauftriebs in
der zweitgrößten Volkswirtschaft beitragen, könnte Chinas Zentralbank
davon abhalten, weiter auf die Bremse zu treten, und die Chancen
erhöhen, dass Chinas Wirtschaftslenker Gefallen daran finden, als
weltweite Konjunkturlokomotive wieder mehr Dampf zu machen. Bringt
ein chinesischer Schweinezyklus die glückliche Wende? Das klingt
verrückter, als es ist.

Chinas Inflationsrate ging im Juli mit 6,5% auf den höchsten Stand
seit gut drei Jahren. Dahinter steht vor allem der ungebrochen
kräftige Preisanstieg der Lebensmittel von zuletzt 14,8%. Der
wiederum wird nicht unwesentlich von den Preisen für Schweinefleisch
bestimmt, neben Reis der wichtigste Faktor für die
Nahrungsmittelversorgung im bevölkerungsreichsten Land der Erde.

Seit Juli letzten Jahres haben die Schweinefleischpreise um 57%
angezogen. Das trägt sage und schreibe 1,5 Prozentpunkte zur
laufenden chinesischen Teuerungsrate bei und ist mitverantwortlich
dafür, dass die Inflationsbekämpfung den Spitzenplatz im
wirtschaftspolitischen Zielkatalog zugewiesen bekam. Die Nachricht,
dass Chinas Schweinezüchter mittlerweile die „Produktion“ erfolgreich
ankurbeln konnten, lässt auf eine Angebotsmehrung hoffen, die rasch
auf die Preise für Schweinefleisch einwirkt. In Verbindung mit
anderen Faktoren wie Ölpreise gehen Analysten nun sogar davon aus,
dass die Inflationsrate bis Jahresende wieder auf einen zielkonformen
Trend bei 4% einschwenkt.

Für die People–s Bank of China gibt es damit gute Gründe, eine
Verschnaufpause einzulegen. Nicht nur weil in der angegriffenen
globalen Marktverfassung ein weiteres Bremsmanöver ein verheerendes
Signal wäre, sondern auch, weil der innenpolitische Druck nachlässt,
offensiv auf das für soziale Spannungen sorgende Teuerungsproblem
einzuwirken.

Vom chinesischen Staatsrat könnte die Losung kommen, dass man
statt der Versuche, die Wirtschaft behutsam herabzukühlen, nun eher
wieder auf eine vorsichtige Stimulierung der Nachfrage setzt. Dazu
würde man nicht gleich eine geldpolitische Wende ausrufen, sondern
fiskalische Mittel wirken lassen. Nach den Hiobsbotschaften aus USA
und Europa ist die Hoffnung, dass Chinas Wirtschaft „quieklebendig“
gehalten wird, eine Chance, das negative Sentiment zu durchbrechen.

(Börsen-Zeitung, 10.8.2011)

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