Ist das nicht merkwürdig? Urplötzlich sind 
Europas Finanzminister ungemein streng mit den Griechen. Nicht nur, 
dass sie umgehend zusätzliche Spar- und Reformmaßnahmen verlangen. 
Sondern auch, dass sie den Deal über den Forderungsverzicht nicht 
akzeptieren, auf den sich die Griechen mit ihren privaten Gläubigern 
verständigen wollten. Auf einmal pochen Juncker, Schäuble und 
Kollegen darauf, dass die Griechen einen Zins von deutlich weniger 
als 4% verabreden, um sich nicht zu schwere Lasten aufzubürden.
   Ein Schelm, wer dabei an den IWF denkt. Einiges spricht dafür, 
dass die Europäer eigentlich gerne ein Auge zuzudrücken bereit wären,
wenn es um den Ausblick für Griechenlands Rückkehr in eine tragfähige
Finanzpolitik geht. Ginge es nämlich nur nach den Europäern, würden 
die bestimmt sagen: Ach, den Abbau der Schuldenquote bis 2020 auf 
120% werdet Ihr bestimmt schon hinbekommen, selbst mit 4% Zinsen.
   Aber es sind nun einmal nicht die EU-Beamten allein, die 
beurteilen müssen, ob die Anstrengungen in Griechenland reichen und 
die Zinsen niedrig genug sind. Darüber hat vielmehr auch der 
Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank 
mitzuentscheiden. Und zumindest der IWF, so verlautet in Brüssel, 
verliere langsam, aber sicher die Geduld mit den Krisen-Griechen.
   Gewiss mag es dafür sogar einige plausible Gründe geben. Selbst 
Diplomaten, die ganz sicher nicht im Verdacht stehen, die Lage in 
Hellas absichtlich zu dramatisieren, sprechen von einem „Mangel an 
Staatlichkeit“ – ein vernichtendes Urteil, weil damit die 
Reformfähigkeit insgesamt angezweifelt wird.
   Allein, die Strategie, den Druck immer aufs Neue zu erhöhen, ist 
gefährlich. Die Wette darauf, dass am Ende ja doch weder die Griechen
noch deren Gläubiger das explosive Experiment eines verordneten 
Schuldenschnitts oder einer ungeordneten Pleite eingehen wollen und 
deshalb irgendwann noch mehr Zugeständnisse machen, ist gewagt. Sich 
darauf zu verlassen, heißt Griechisch Roulette zu spielen.
   Europa scheint erstmals seit Langem eine Chance zu haben, die 
Staatsschuldenkrise in den Griff zu bekommen. Nicht kurzfristig und 
nicht ohne Rückschläge, aber doch auf Sicht. Das kann aber nur 
gelingen, wenn es Euro-Regierungen und der IWF endlich schaffen, eine
Verständigung darüber zu erzielen, wie mit Griechenland umgegangen 
wird. Ein Zerwürfnis in der Troika könnte weitreichende Folgen haben 
und eine neue Eskalation der Krise provozieren.
(Börsen-Zeitung, 25.1.2012)
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