Zugegeben: Die Internationale gehört nicht 
unbedingt zum Sangesgut von Investmentbankern und Börsenmanagern. Und
auch viele Politiker haben in den Wochen vor dem britischen 
EU-Referendum die Signale aus dem Volk nicht gehört oder hören wollen
und sind vom Ergebnis der Abstimmung auf dem falschen Fuß erwischt 
worden. Aber den Knall des Brexit-Votums, die damit für den 
Finanzplatz London schlagartig veränderten und sich noch verändernden
Rahmenbedingungen und ihre Implikationen für das Fusionsvorhaben der 
Börsen in London und Frankfurt nur mit einem trotzigen „Weiter so“ 
und „Jetzt erst recht“ zu beantworten, signalisiert Realitätsverlust.
   Jetzt zeigt sich, dass die Kritik am Timing des Fusionsvorhabens 
mehr als berechtigt war. Gleiches gilt für Vorbereitung und 
Konditionen der Fusion. Denn der Fusionsvorschlag kennt keinen Plan B
für den Fall eines positiven Brexit-Votums. Folglich sollen nun die 
Aktionäre der London Stock Exchange einem Zusammenschluss zustimmen 
und die Anteilseigner der Deutschen Börse einem Aktientausch, dessen 
strategische, betriebswirtschaftliche und rechtliche Grundlagen und 
Perspektiven sich mit dem Brexit-Votum erheblich verändert haben. Der
von den Fusionspartnern eingesetzte Referendumsausschuss ist ein 
Placebo und kann nur im Nachhinein kosmetische Korrekturen des 
Mergers erreichen. Nötig wären aber von Grund auf überarbeitete 
Fusionsbedingungen einschließlich der Governance und der Sitzfrage 
der fusionierten Börse. Aufgrund der aktuellen und der im Brexit-Fall
noch absehbaren Kräfteverschiebungen kann der Sitz bei einem 
Zusammengehen mit London nur in Frankfurt sein.
   Wem es bei der Börsenfusion um die Sache geht – nämlich einen 
wettbewerbsfähigen Börsenbetreiber für den europäischen Kapitalmarkt 
zu schaffen, der auch international ganz vorne mitspielt – und nicht 
nur um die persönliche Karriere oder dicke Beraterprovisionen, muss 
das Vorhaben jetzt stoppen. Wenn Vorstand und Aufsichtsrat dazu nicht
in der Lage oder willens sind, werden im Herbst Politik und Aufsicht 
dafür sorgen. Das muss auch den Schwerhörigen unter den 
Börsen-Verantwortlichen in den vergangenen Tagen deutlich geworden 
sein. Eine Genehmigung mit Auflagen, wie mitunter spekuliert, wird es
nicht geben. Das ist schon börsenrechtlich nicht möglich.
   Wer die Signale bisher überhört hat, sollte sich einer alten 
Indianer-Weisheit erinnern: Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes 
Pferd reitest, steig ab!
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