Börsen-Zeitung: Im Cyberkrieg / Kommentar zum Hackerangriff bei Bayer von Annette Becker

Bayer greift derzeit in die Vollen. Nicht genug,
dass sich seit vorigem Sommer alles nur noch um die Rechtsrisiken im
Zusammenhang mit Monsanto und den in deren Laboren entwickelten
Unkrautvernichter Roundup dreht, nun wird auch noch publik, dass die
Leverkusener Ziel eines Hackerangriffs geworden sind. Die
eigentliche Attacke mittels einer Schadsoftware wurde zwar schon vor
mehr als einem Jahr entdeckt – wann die Schadsoftware ins
Bayer-Netzwerk eingeschleust wurde, ist jedoch unklar. Öffentlich
geworden ist die Causa erst jetzt, nachdem die IT-Systeme wieder
gesäubert sind.

Anders als man hätte befürchten können, fiel die Reaktion an der
Börse glimpflich aus, auch wenn sich Bayer weder zur Schadenshöhe
noch zum Umfang des Versicherungsschutzes äußert. Nach kurzem Ab und
Auf schwenkte die Aktie in den Parallelschwung zum Dax ein.

Gleichwohl wirft der Fall ein Schlaglicht auf die Verwundbarkeit
der Industrie. Denn Bayer ist kein Einzelfall. Erst vor wenigen
Wochen legte eine Schadsoftware Teile der Produktion des weltgrößten
Aluminiumproduzenten Norsk Hydro lahm und verursachte einen Schaden
in zweistelliger Millionenhöhe. Beim US-Pharmakonzern Merck soll sich
2017 der Schaden durch einen Virus auf 2 Mrd. Dollar summiert haben,
derweil sich der Milka-Hersteller Mondelez mit seinem
Industrieversicherer vor Gericht über die Schadenübernahme streitet.

Längst sind es nicht mehr nur kleine und mittelgroße Firmen mit
vermeintlich schlecht geschützter IT-Infrastruktur, gegen die sich
Hackerangriffe richten. Das Bild muss größer gezogen werden – nicht
nur, was die potenziellen Opfer anbelangt, sondern auch die Art der
Angriffe. Ging es bei Cyberattacken – zumindest bei den publik
gewordenen Fällen – bislang meist um Erpressung, rücken in einer sich
zunehmend polarisierenden Welt vermehrt machtpolitische und
wirtschaftliche Aspekte in den Vordergrund.

Winnti, die Hackergruppe, die bei Bayer zuschlug, soll im Auftrag
des chinesischen Staats unterwegs sein. Davon zumindest gehen
deutsche Sicherheitsbehörden aus, ohne dass es Beweise gibt. Es ist
sicher keine neue Erkenntnis, dass sich Risiken in einer vernetzten
Welt verlagern, nicht grundlos gehört das Wort Cyberkrieg heute zum
gängigen Sprachgebrauch. Bayer hat zumindest diese Schlacht gewonnen.
Damit der Krieg nicht verlorengeht, müssen die Unternehmen ihre
Erkenntnisse aber gezielt austauschen – gerade auch mit den
Sicherheitsbehörden.

(Börsen-Zeitung, 05.04.2019)

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