Der Übernahmerausch in der Chipindustrie kennt 
keine Grenzen mehr. Die Konsolidierungswelle erreicht einen neuen 
Höhepunkt. Qualcomm hat noch nicht einmal die Akquisition des 
niederländischen Wettbewerbers NXP in trockene Tücher gebracht, da 
schickt sich der Konkurrent Broadcom an, den etwas größeren 
US-Anbieter zu schlucken. Gelingt der Plan des in Singapur sitzenden 
Aufsteigers, entsteht der drittgrößte Chipkonzern der Welt nach 
Samsung und Branchenprimus Intel.
   Der Jubel an den Börsen ist verfrüht. Der beabsichtigte Erwerb 
steht vor vielen Hürden. Dass die Qualcomm-Führung die Avancen 
ablehnt, liegt auf der Hand. Der Firma mit Sitz im kalifornischen San
Diego passt es überhaupt nicht, wenn ihr Broadcom mitten in der 
heißen Phase des Erwerbs von NXP in die Parade fährt. Für viele 
Anleger ist das aber nur ein Teilaspekt. Für sie zählt vor allem, 
dass sich ein Übernahmepoker anbahnt, der die Kurse treibt.
   Angesichts der überschwänglichen Kursfantasien stellt sich aber 
die Frage, wie gut die Chancen von Broadcom tatsächlich stehen, ihren
Plan umzusetzen. Im weltweiten Ringen um die Vorherrschaft im 
wachsenden Geschäft mit Halbleiterkomponenten dürfte die 
Trump-Administration kaum begeistert sein, wenn Asiaten ein 
amerikanisches Aushängeschild der Branche schlucken wollen. Wie 
empfindlich Washington auf Versuche dieser Art aus dem Ausland 
reagieren kann, spürte im Februar Infineon, als der geplante Erwerb 
des US-Spezialisten Wolfspeed am Veto der Regierung scheiterte. 
Broadcom wappnet sich für ein solches Szenario. So ist es kein 
Zufall, dass der aus der Übernahme des gleichnamigen Vorgängers aus 
Kalifornien durch Avago aus Singapur 2015 hervorgegangene Konzern 
jüngst ankündigte, sich wieder in ein Unternehmen nach US-Recht 
wandeln zu wollen.
   Während die Infineon-Führung darüber grübelt, wie sie ihre 
Schlappe wegstecken kann, schaffen die Branchenriesen dank ihrer 
Größenvorteile neue Fakten. Sollte der Coup von Broadcom gelingen, 
stünde die viel kleinere deutsche Adresse mehr denn je unter 
Zugzwang. Denn mit NXP bekäme der neue Riese Zugriff auf das 
Automotive-Geschäft der Holländer, die mit Infineon konkurrieren. Ein
hochprofitabler Nischenanbieter in diesem Wachstumssegment weckt aber
automatisch Begehrlichkeiten bei anderen. Angesichts voller 
Firmenkassen und billigen Geldes ist die auf 28 Mrd. Euro gestiegene 
Marktkapitalisierung von Infineon kein unüberwindbares Hindernis zur 
Abschreckung von Konkurrenten.
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