Die Anzeichen mehren sich, dass es auf dem
internationalen Stahlmarkt noch längst nicht wieder so rund läuft wie
von Optimisten erhofft. Schon vor zwei Wochen hat Posco aus Südkorea
– immerhin der drittgrößte Stahlkocher weltweit – die Prognosen
zurückgeschraubt. Der größte amerikanische Konkurrent US Steel musste
nun tiefrote Zahlen für das dritte Quartal verkünden. Und
Weltmarktführer ArcelorMittal erschreckte die Märkte mit einem mehr
als enttäuschenden Ausblick für die nächsten Monate.
Die hohen Zuwachsraten bei der Rohstahlproduktion, die Unternehmen
und Verbände der Branche in der ersten Jahreshälfte verkünden
konnten, sollten niemanden täuschen: Die Krise in der Stahlindustrie
ist noch längst nicht ausgestanden. Denn die Verbesserungen waren
unter anderem auf die katastrophal niedrige Vergleichsbasis aus dem
Vorjahr zurückzuführen und auf die Aufstockung der Läger – und nicht
nur auf eine reale Nachfragebelebung.
Nicht von ungefähr sinkt die Kapazitätsauslastung der Hersteller
bereits seit mehreren Monaten wieder kontinuierlich. Unternehmen wie
ArcelorMittal nehmen in Europa vorübergehend wieder Hochöfen aus dem
Markt. Und auch die Hoffnung, die Kostenexplosion auf der
Rohstoffseite über Preiserhöhungen einfach komplett an die Kunden
durchreichen zu können, hat schon erste Dämpfer bekommen.
Hinzu kommt, dass die bisherige Wachstumslokomotive China an
Zugkraft verloren hat. Für die vergangenen Monate hat das für die
internationale Stahlindustrie mit Abstand wichtigste Land sogar
rückläufige Produktionszahlen veröffentlicht. Ein schwacher
Immobiliensektor und das Auslaufen öffentlicher Konjunkturprogramme
machen sich bei der Stahlnachfrage deutlich bemerkbar. Und auch im
nächsten Jahr wird sich China unterproportional entwickeln, wie auch
schon zu Monatsbeginn auf der Weltstahlkonferenz in Tokio
prognostiziert.
Deutschland gilt in der Branche im Moment noch als außergewöhnlich
robuster Markt. Hiervon profitiert unter anderem ThyssenKrupp. Der
größte deutsche Stahlproduzent setzt mehr als die Hälfte seines
Stahls in einem Radius von 500 Kilometern rund um den Standort
Duisburg ab. Die starke heimische Basis federt zurzeit noch die
Marktschwäche in anderen Regionen ab.
(Börsen-Zeitung, 27.10.2010)
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