Bei Anlegern in Europa stehen die Langläufer 
derzeit wieder sehr hoch im Kurs. Die Renditen der Staatsanleihen aus
Deutschland, Italien und Spanien mit zehn Jahren Laufzeit sind 
momentan wieder auf den Niveaus angekommen, die zuletzt im Januar zu 
beobachten waren. Von ihren zwischenzeitlichen Hochs haben sich die 
Papiere klar abgesetzt. Praktisch das gleiche Bild ist bei noch 
länger laufenden Anleihen der betreffenden Länder zu beobachten, also
bei den 30-Jahres-Bonds. Die Rendite der 30-jährigen Bundesanleihe 
liegt derzeit nur noch knapp oberhalb der Marke von 1 Prozent. 
Zeitweise wurden in diesem Jahr schon fast 1,3 Prozent gesehen.
   Die Zinsstrategen der Commerzbank halten fest, dass die Argumente 
für höhere nominale Renditen so langsam ausgehen, da die niedrigeren 
Inflationserwartungen nun möglicherweise auf Wachstumssorgen in Form 
schwächerer Einkaufsmanagerindizes treffen könnten. Einen 
entsprechenden Vorgeschmack auf solche schwächeren 
Einkaufsmanagerindizes bekamen die Anleger schon am Freitag: Der 
deutsche Aufschwung verliert im Juni bereits an Tempo. Der 
Markit-Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft, also Industrie 
und Dienstleister zusammen, fiel im laufenden Monat um 1,3 auf nun 
56,1 Punkte. Ökonomen hatten nur ein leichtes Minus auf 57,3 Zähler 
erwartet. Allerdings liegt das Barometer immer noch über der Marke 
von 50 Punkten, ab der es Wachstum für die Wirtschaft signalisiert. 
Sollten in den kommenden Wochen nun weitere Einkaufsmanagerindizes 
anderer Länder ebenfalls Rückgänge anzeigen, werden die 
Wachstumssorgen der Anleger definitiv verstärkt.
   Die Sorgen der Anleger, dass die Inflation nicht anspringt, kommen
derzeit in erster Linie wieder einmal über den zur Schwäche neigenden
Ölpreis. Er liegt momentan deutlich unter der Marke von 50 Dollar pro
Barrel und ist damit binnen weniger Wochen um rund 10 Dollar 
gefallen. Die Anleger befürchten, dass über die rückläufigen 
Energiekosten die Inflationsrate weiter zurückgehen wird – und damit 
rückt denn auch der Zielwert, den die Europäische Zentralbank (EZB) 
verfolgt, weiter in die Ferne. Die europäischen Währungshüter streben
für die Eurozone eine Teuerung in der Nähe von 2 Prozent an. Dafür 
kaufen sie an den Rentenmärkten der Eurozone kräftig ein – Monat für 
Monat geben sie hier 60 Mrd. Euro aus für die Käufe von 
Staatsanleihen, Covered Bonds wie Pfandbriefe sowie Titel von 
halbstaatlichen Emittenten und Unternehmen. Aber die Inflationsrate 
haben sie noch nicht auf das gewünschte Niveau gehievt.
   Die an den Märkten gehandelten Inflationserwartungen weisen 
ebenfalls darauf hin, dass man sich hier eher auf fallende 
Teuerungsraten einstellt. Und so könnte es denn durchaus sein, dass 
die EZB eher später als früher an einen Ausstieg aus der 
unkonventionellen Geldpolitik – dem Quantitative Easing – denken 
wird. Das allmähliche Zurückfahren der Anleihekäufe – auch Tapering 
genannt – könnte demzufolge noch eine ganze Zeit lang auf sich warten
lassen. An Leitzinssteigerungen ist in einem von rückläufiger 
Inflation gekennzeichneten Marktumfeld verständlicherweise nicht zu 
denken.
   Und somit setzen die Anleger wieder auf die längeren Laufzeiten, 
um sich diese Renditesätze noch zu sichern: bei 30 Jahren 
Bundeslaufzeit gerade noch 1 Prozent. Sie gehen davon aus, dass die 
EZB wieder stärker bei ihren Anleihekäufen zugreifen wird, vermutlich
in der Eurozonenperipherie. Das würde die Renditen dann noch weiter 
nach unten befördern.
   Bei den Emittenten bleibt es natürlich nicht unbemerkt, dass die 
Anleger verstärkt auf lange Laufzeiten setzen. Entsprechend sieht 
dann das Angebot aus. So hat in der gerade abgelaufenen Handelswoche 
Argentinien das sehr lange Fälligkeitensegment bedient. Der Staat, 
der in der Vergangenheit immer mal mit einer Pleite von sich reden 
machte, emittierte eine hundertjährige Anleihe, allerdings nicht im 
Euro, sondern in Dollar. 2,75 Mrd. Dollar wurde der Titel am Ende 
schwer, den Anlegern bringt das Papier eine Rendite von knapp unter 8
Prozent, sofern der argentinische Staat zum Zahlungstermin die Zinsen
denn auch bezahlt, d.h. in der Lage ist, das Geld zu überweisen. Das 
sollte man erst mal abwarten, und zwar hundert Jahre lang. Und das 
Nominal ist dann ja schließlich auch noch zu berappen.
   Auch die britische Bausparkasse Nationwide nutzte den Trend zu 
Langläufern. Sie brachte im Euro den bislang längsten gedeckten Bond.
15 Jahre stehen drauf. In nächster Zeit sollte man sich also darauf 
einstellen, dass in puncto Laufzeit weitere Meilensteine aufgestellt 
werden.
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