Ein Gespenst geht um in Europa – der 
EU-Diplomat. Seit Ausbruch der Schuldenkrise sind die Zeitungen voll 
von ihm. Früher konnte man ziemlich sicher sein, dass das, was 
EU-Diplomaten berichteten, wenig später tatsächlich so eintrat. Im 
Grunde war EU-Diplomat nämlich das Codewort für Minister oder 
Staatssekretäre, die nicht genannt werden wollten, – und 
Regierungschefs hießen „hochrangige EU-Diplomaten“.
   Heute ist das anders. Weil Entscheidungen in der Schuldenkrise 
viel schneller fallen müssen, steigt das Interesse an 
Wasserstandsmeldungen. Der Kreis derer, die unter EU-Diplomaten 
firmieren, ist daher gewachsen. Und sie werden längst nicht nur 
zitiert, wenn sie bestätigen, was entschieden wird. Sondern auch, was
alles erwogen wird. Und erwogen wird viel.
   Das ist gerade jetzt zu spüren. Börsentäglich tauchen Gerüchte 
über das weitere Vorgehen in der Staatsschuldenkrise auf. Das 
überrascht nicht, solange Spanien unter hohen Anleihezinsen leidet 
und deshalb Spitzenpolitiker aus Madrid durch halb Europa touren, um 
zu sondieren, wie der Zinsdruck gelindert werden kann. Insofern ist 
es sicherlich richtig, dass, wie EU-Diplomaten bestätigen, der 
Einsatz aller zur Verfügung stehenden Instrumente erwogen wird – etwa
Anleihekäufe durch die Euro-Schirme (nach einem Hilferuf) oder durch 
die Europäische Zentralbank (in Wiederaufnahme des Kaufprogramms). Es
stimmt wohl auch, dass sich einzelne Finanz- und Geldpolitiker 
Maßnahmen vorstellen können, die über das Arsenal hinausreichen und 
allerlei Zustimmungen und Mehrheiten erfordern würden, etwa einen 
Zugang zu EZB-Liquidität für die Euro-Schirme.
   Allen Vorschlägen gemein ist, dass niemand verlässlich einschätzen
kann, ob es dazu kommt. Gewiss ist lediglich dreierlei. Erstens: Die 
Südländer suchen den einfachsten Weg zu Hilfsmilliarden. Zweitens: 
Ihre Euro-Partner bestehen auf möglichst umfassender Konditionalität 
aller Hilfen. Drittens: Solange der Dauer-Schirm ESM noch nicht 
aufgespannt werden kann, meiden alle Beteiligten weitreichende 
Entscheidungen.
   Anfang September wird es spannend. Am 11. konkretisiert Brüssel 
die Pläne für die Bankenunion, am 12. entscheidet das 
Bundesverfassungsgericht über den ESM, am 14. treffen sich die 
Finanzminister zwei lange Tage. Bis dahin ist Geduld nötig, denn es 
wird noch jede Menge sommerliche Gerüchte geben – zumal die Märkte 
derzeit auf jedes Wort extrem sensibel reagieren – und sogar 
Informationen, die EU-Diplomaten zugeschrieben werden können.
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