Immerhin ist es nicht mehr die Bundesregierung,
die den Streit in den eigenen Reihen über die Abwehr drohender
Fahrverbote für Dieselfahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß austrägt.
CDU/CSU und SPD wurden in der Nacht zum Dienstag handelseinig über
ein gemeinsames Konzept. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer
(CSU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) saßen einträchtig vor
der Presse, als hätte es in dieser Frage nie Trennendes gegeben.
Dabei hatte das SPD-geführte Umweltministerium stets strikt auf
Hardware-Nachrüstung veralteter Fahrzeuge bestanden. Das
unionsgeführte Verkehrsministerium suchte nach einem Weg, die
Automobilindustrie in die Pflicht zu nehmen, ohne Arbeitsplätze in
diesem Industriezweig zu gefährden. Dass die Automobilindustrie und
ihre Zulieferer in der deutschen Wirtschaft tatsächlich stark wiegen,
zeigt sich am gedämpften Wachstum hierzulande im dritten Quartal. Die
Produktion lahmt, seit es realitätsnahe Abgastests gibt.
Das Regierungskonzept sieht nun von allem etwas vor – und lässt
viele Fragen offen. Die Einigung von Schwarz-Rot ist ein Geschäft
zulasten Dritter. Die Automobilindustrie soll richten, was die
Politik nicht richten kann oder will. Die schadstoffkritischen
Fahrzeuge soll die Industrie mit finanziellen Anreizen für den Kauf
von Neu- oder Gebrauchtwagen aus dem Verkehr ziehen und auch Hardware
umrüsten, wo es der Dieselfahrer wünscht. Verpflichten kann die
Bundesregierung sie nicht dazu, weil die Fahrzeuge bei ihrer
Zulassung den gesetzlichen Regeln entsprachen. Schwarz-Rot wiegt sich
nur in der Hoffnung, dass die Anreize der Autohersteller einen
Preiswettbewerb auslösen, der eine befriedigende Lösung für die
Dieselfahrer bringt und auch die ausländischen Produzenten zum
Mitmachen zwingt.
Für Fahrzeugeigentümer wird die Kalkulation nun etwas konkreter,
nachdem die deutschen Hersteller in unterschiedlichem Ausmaß den
Wünschen aus Berlin entsprechen. Einfacher ist die Lage bei
Fahrzeugen des Landes oder der Kommune. Hier soll eine Ausweitung des
Steuergeldtopfs für saubere Luft Abhilfe schaffen, um etwa Müllautos
oder Busse nachzurüsten. Der Bundesfinanzminister, der in der Nacht
nicht mit am Tisch saß, hält sich noch bedeckt. Bislang hatte er sich
dem Einsatz von Steuermitteln verweigert. Der neue Koalitionsfriede
macht ihn – in Zeiten voller Kassen – womöglich spendabler. Denn eine
Erkenntnis hat die Nachtsitzung auch gebracht: Regieren ist schöner
als streiten.
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