Börsen-Zeitung: Mehr Transparenz wagen, Kommentar zum Stresstest der Versicherer von Thomas List

Die europäische Assekuranz kann zufrieden sein.
Bei den Stresstests der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA hat
sie gut abgeschnitten. Selbst im ungünstigsten Szenario mit starken
Rückgängen bei Zinssätzen, Aktienkursen und Immobilienpreisen würde
sich das Kapital der Versicherer nur um ein rundes Viertel reduzieren
– und damit deutlich über dem Mindestkapital (Minimum Capital
Requirement MCR) liegen. Dies gilt wohlgemerkt bereits auf Basis des
noch gar nicht in Kraft getretenen Eigenmittelstandards Solvency II.

Aber ein paar Versicherer haben es eben doch nicht geschafft. Bei
dem strengsten Stresstest waren es 13 von 129 Teilnehmern. Wer das
genau ist, aus welchen Ländern sie kommen, all dies gibt EIOPA nicht
bekannt. Damit unterscheidet sich der Versicherertest vom
Bankenstresstest der europäischen Bankenaufsicht.

Der Branche geht es insgesamt sehr gut (viel besser als den
Banken), die Solvency-II-Anforderungen stehen noch nicht genau fest,
das Defizit der „Durchfaller“ ist vergleichsweise klein – all diese
Argumente gegen eine Veröffentlichung leuchten durchaus ein. Und
sicher ist die Gefahr groß, dass die „Kapitalsünder“ nicht mehr in
Ruhe ihre strategischen Konsequenzen aus ihren Testergebnissen ziehen
könnten, wenn (potenzielle) Kunden und Kapitalgeber sie kennen.

Trotzdem: Lange lässt sich diese Verweigerungshaltung nicht mehr
durchhalten. Dagegen spricht das Beispiel der Banken, aber auch der
von Bernardino laut verkündete Grundsatz der Transparenz. So
verwundert seine wenn auch etwas vage Ankündigung nicht, dass es bei
dieser „No name no shame“-Politik nicht bleiben müsse. Vielleicht
schon im kommenden Jahr beim dann dritten Stresstest der europäischen
Versicherer will der EIOPA-Chef möglicherweise Ross und Reiter
nennen.

Er sollte es tun. Denn dann, also Mitte 2012, müsste die genaue
Ausgestaltung von Solvency II ja bekannt sein, will man denn, wie
allseits, auch von Bernardino, verkündet, am 1. Januar 2013 den neuen
Standard tatsächlich einführen und auch anwenden (wenn auch mit
gewissen Übergangsfristen in Teilbereichen).

Auch für die Versicherer selbst gibt es dann keine Ausrede mehr.
Sie haben genug Zeit gehabt, sich auf die Testbedingungen
einzustellen. Grundsätzlich angekündigte weitere Änderungen der
Konditionen, sprich wohl eher Verschärfungen, können sie sicherlich
antizipieren. Kunden und Kapitalgeber würden diesen Schritt sehr
begrüßen.

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