Die Europäische Zentralbank (EZB) schätzt die 
Lage der Euro-Wirtschaft zwar optimistischer ein als noch vor wenigen
Wochen – zugleich aber dominieren aus ihrer Sicht weiter die 
Abwärtsrisiken. Zudem hat EZB-Chef Mario Draghi zwar signalisiert, 
dass der EZB-Rat aktuell kaum Bedarf an weiteren geldpolitischen 
Lockerungsübungen sieht – zugleich aber hält dieser an der 
expliziten, einseitigen Bereitschaft fest, mehr zu tun.
   Positiv gewendet könnte man sagen, die EZB macht sich in 
Mini-Trippelschrittchen auf in Richtung einer neutralen Risiko- und 
Politikeinschätzung, die überhaupt erst die Voraussetzung dafür ist, 
den Exit aus der lockeren Geldpolitik anzugehen. Nüchtern betrachtet 
aber scheint es, dass der Einstieg in den Ausstieg und selbst eine 
ernsthafte Debatte darüber weiter auf die lange Bank geschoben wird. 
Und das ist negativ: Denn mindestens die Diskussion ist längst 
überfällig.
   Natürlich stimmt es, dass die Inflation von zuletzt 2,0% schon im 
Sommer wieder nachgeben wird. Aber die EZB selbst sieht sie in den 
nächsten drei Jahren stabil bei 1,6% bis 1,7%. Das rechtfertigt, 
zumal bei einer über Potenzial wachsenden Wirtschaft, keine 
Geldpolitik, die noch lockerer ist als auf dem Höhepunkt der 
Weltfinanzkrise. Im Übrigen: Selbst wenn die EZB schneller als 
bislang absehbar die Normalisierung startete, bliebe die Geldpolitik 
noch auf Jahre extrem expansiv.
   Natürlich mag es auch sein, dass die Euro-Hüter einen Wechsel 
ihres erst im Dezember eingeschlagenen Kurses fürchten, weil das wie 
ein Eingeständnis eines Fehlers wirken könnte. Aber Augen zu und 
durch ist jetzt ganz sicher auch nicht die richtige Strategie. Und 
natürlich ist die Vorsicht vor den Wahlen in den Niederlanden und 
speziell Frankreich bis zu einem gewissen Grad verständlich. Aber 
selbst wenn die Populisten nicht triumphieren, ist damit nicht alle 
Unsicherheit beseitigt. Brexit, Italien, USA – die Liste potenzieller
Risiken ist lang. Aber deswegen darf der Exit nicht auf den 
Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt werden.
   Und schließlich: Natürlich ist die Mehrheit der EZB-Granden nach 
den vergangenen Jahren aktuell wohl geneigt, lieber etwas zu lang mit
dem Ausstieg zu warten, als selbigen zu früh einzuläuten. Aber ein zu
später Ausstieg kann mindestens genauso gefährlich sein wie ein zu 
früher. Neben der Gefahr für stabile Preise sind Fehlallokationen in 
der Wirtschaft, Fehlanreize für Staaten sowie mögliche Preisblasen 
das eine. Das andere aber ist: Je länger sich die EZB Zeit lässt, 
desto größer wird der Druck am Ende, schneller zu straffen. Das 
könnte gerade jene Turbulenzen verursachen, die sie derzeit auf 
Teufel komm raus verhindern will.
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