Börsen-Zeitung: Munition für Zinserhöhung, Kommentar zur Konjunktur von Stephan Balling

Die gute Nachricht: Euroland steht keine
Rezession bevor. Nimmt man die Stimmung der Einkaufsmanager als Maß,
dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Währungsraum 2011 und 2012
weiter expandieren. Man freue sich in diesen Zeiten über kleine
Dinge, wenn die Wirtschaft einigermaßen robust bleibt und nicht
schrumpft. Der Vollständigkeit halber hier die schlechte Nachricht:
An den Finanzmärkten wächst die Furcht vor einer Rezession in
Euroland.

Doch dem Urteil der Finanzmärkte sollte man nicht zu viel Gewicht
beimessen. Der Index der Einkaufsmanager ist ein weitaus besserer
Wirtschaftsindikator als der ZEW-Index für die Stimmung unter
Finanzanalysten. Rund wird das Bild, sollte der heute zur
Veröffentlichung anstehende Ifo-Geschäftsklimaindex ebenfalls
einigermaßen positiv ausfallen. Im Juli hatten die Angaben der 7000
befragten deutschen Firmen zu Geschäftserwartung und Lagebeurteilung
noch eine laufende Hochkonjunktur signalisiert.

Erweisen sich die Unternehmen in Eurolands größter Volkswirtschaft
auch im August als zuversichtlich, ist das auch ein Signal an die
Europäische Zentralbank (EZB). Anstatt sich von den Finanzmärkten
drängen zu lassen, die Leitzinsen tief zu halten, sollte die EZB die
argumentative Munition für Zinserhöhungen nutzen. Nur so wird sie
ihrer Stabilitätspflicht gerecht. Wenn die Wirtschaft auf
Wachstumskurs bleibt, ist die erste Bedingung für eine weitere
Zinserhöhung auf dem Weg zum Normalzustand erfüllt. Zur Erinnerung:
Negative Realzinsen wie zurzeit sind nicht normal.

Die zweite Bedingung lautet, dass das Wachstum von Kreditvergabe
und Geldmenge weiter anzieht. Hier gibt es die neuen Daten Ende
nächster Woche. Sollten die Kredite an private Haushalte weiterhin in
einem Korridor von 3 bis 5% wachsen – also in etwa in Einklang mit
dem nominalen BIP – und die Darlehen an Firmen weiter anziehen,
besteht kein Grund, den Krisenmodus an der Zinsfront nicht zu
beenden.

Notenbankpräsident Jean-Claude Trichet sollte dann auf der
nächsten Pressekonferenz Anfang September durchaus die Formulierung
„starke Wachsamkeit“ in Bezug auf die Inflation gebrauchen und somit
einen Zinsschritt für Oktober ankündigen. Für den Fall, dass es mit
der Wirtschaft so weiterläuft wie bisher, muss die EZB gewappnet
sein. Sicher, man mag argumentieren, dass steigende Leitzinsen nicht
in ein Umfeld wieder aufgenommener Krisenpolitik passen. Aber die EZB
hat immer betont, dass sie ungewöhnliche Mittel von gewöhnlichen
strikt trennt. Dem sollte sie nun Taten folgen lassen.

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