Am US-Aktienmarkt wird dieser Tage ein Jubiläum
gefeiert. Gemessen an der Performance des wichtigsten amerikanischen
Benchmark-Index Standard & Poor–s 500 (S&P 500) ist die aktuelle
Rally fünf Jahre alt. Damit handelt es sich um eine der längsten
Haussephasen an der Wall Street in den vergangenen Dekaden. Los ging
es am Tiefpunkt nach der Finanzkrise am 6. März 2009 mit 667 Punkten.
Seither hat der Index satte 180% hinzugewonnen, was aus der aktuellen
Rally nicht nur eine der längsten, sondern auch noch eine der
kraftvollsten macht. Zum Vergleich: Die Rally nach dem Platzen der
Dotcom-Blase und den Anschlägen vom 11. September 2001, die im
Frühjahr 2003 begann und bis zum Herbst 2007 dauerte, kam nur auf
viereinhalb Jahre und einen Anstieg von 100%.
Angesichts der Dauer der Rally, ihres Ausmaßes und vor allem des
sich mit dem Tapering der US-Notenbank Federal Reserve (Fed)
eintrübenden geldpolitischen Umfelds stellen sich allerdings viele
US-Anleger derzeit die Frage, ob nicht bald das Ende der Rally oder
gar ein Crash droht. Die Korrektur von Ende Januar/Anfang Februar
hatte derartige Ängste ebenfalls geweckt. Sie ist aber längst
überwunden und der S&P 500 hat seither weitere Allzeithochs markiert.
Nun lässt sich zunächst feststellen, dass zumindest ein Crash wie
der vom Jahr 1929 wohl nicht in den Karten ist. Die an der Wall
Street derzeit kursierende Angst vor einem solchen einschneidenden
Ereignis rührt vor allem daher, dass sich beim einfachen
Übereinanderlegen der Charts der aktuellen Kursentwicklung und der
von 1929 durchaus beeindruckende Parallelen zeigen.
Dabei wird aber übersehen, dass das Umfeld ein ganz anderes ist.
Aufgrund des Basiseffekts war der Ansturm der Kurse vor dem Crash
1929 sehr viel ausgeprägter als aktuell und vor allem war die Fed
1929 in ihrer Geldpolitik sehr viel restriktiver – mit der bekannten
Folge, dass die Welt in die große Wirtschaftskrise abrutschte. Die
damaligen Fehler der Notenbank hat übrigens ausgerechnet der bis vor
kurzem noch amtierende Fed-Chairman Ben Bernanke in einer
wissenschaftlichen Untersuchung nachgewiesen. Die aktuelle
Geldpolitik wird trotz des mittlerweile erfolgten Wechsels an der
Fed-Spitze hin zu Janet Yellen nach wie vor von seinen Prinzipien
geprägt.
Das Hauptargument dafür, dass mit der Rally am US-Aktienmarkt
jetzt nach fünf Jahren allmählich Schluss sein sollte, ist die Frage
der Bewertungen. So schreiben etwa die Analysten der DZ Bank, der
US-Aktienmarkt sei im internationalen Vergleich nicht mehr günstig
bewertet. Sie empfehlen daher allenfalls selektive Zukäufe während
möglicher Rückschlagphasen.
Mit einem aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der
Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate von ungefähr 16 ist
der S&P 500 in der Tat nicht mehr als billig zu betrachten. Er
befindet sich damit aber ziemlich genau auf dem Durchschnittsniveau
der Jahre seit 1960 von 15,9. Im Jahre 2004, als ebenfalls die Angst
vor einem Crash die Runde machte, betrug das KGV immerhin 18. Der
Crash blieb damals allerdings aus. Ganz anders war die Lage im Jahr
1999, als der S&P 500 kurz vor dem Platzen der Technologieblase auf
ein KGV von 28 kam.
Auch die Krim-Krise, die bereits kurzfristige Turbulenzen an den
Weltfinanzmärkten ausgelöst hat, ist kaum als ernsthafte Gefahr für
den S&P 500 zu betrachten – wenn man von kurzen Einbrüchen absieht,
die bei einer neuerlichen Eskalation drohen. Politische Börsen, das
zeigt die Vergangenheit, haben aber in den allermeisten Fällen kurze
Beine. Dies hat sich auch diesmal wieder erwiesen, denn nach den
Verlusten aufgrund des russischen Aufmarsches auf der Krim hat die
Erholung den S&P 500 am Freitag auf sein aktuelles Jahreshoch von
1884 Punkten geführt.
Allerdings ist die Lage am US-Aktienmarkt keineswegs eitel
Sonnenschein. Es gibt durchaus Aspekte, die nachdenklich stimmen. So
verweisen etwa die Analysten der Helaba auf das hohe Niveau der
(legalen) Aktienverkäufe durch Unternehmensinsider. Zudem ist die
US-Konjunkturentwicklung trotz der am Freitag besser als erwartet
ausgefallenen Arbeitsmarktdaten nach wie vor etwas wackelig. Insofern
ist die an der Wall Street vorherrschende Stimmung berechtigt, dass
die kommenden Wochen so etwas wie die Nagelprobe darstellen, ob sich
die Rally am US-Aktienmarkt fortsetzt. Die Chancen dafür, dass die
Hausse in einem etwas moderateren Tempo als bisher weitergeht, stehen
aber nicht schlecht.
(Börsen-Zeitung, 8.3.2014)
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