Börsen-Zeitung: Neues Wagnis / Kommentar zur Übernahme von Cypress durch Infineon von Stefan Kroneck

Nach dem gescheiterten Erwerb des
Chipspezialisten Wolfspeed 2017 geht Infineon in den USA ein neues
Wagnis ein, um mit einer Übernahme die stärker werdende Konkurrenz in
Schach zu halten. Dabei muss wohl der Handlungsdruck auf Konzernchef
Reinhard Ploss extrem hoch gewesen sein, wie der Kaufpreis von 9 Mrd.
Euro für den deutlich kleineren Anbieter Cypress zeigt. Schließlich
ist Deutschlands größter Halbleiterhersteller bereit, das 4,5-Fache
des Jahresumsatzes zu berappen. Und das für ein Unternehmen, welches
sich erst im vergangenen Jahr spürbar aus einer Ertragskrise
herausgekämpft hat. Schlucken um jeden Preis, um nicht selbst
geschluckt zu werden?

Ploss und seine Mannen müssen noch viel Überzeugungsarbeit
leisten, sind doch die Anleger nicht bereit, der Führungsspitze mit
ihrer überarbeiteten Equity Story nach der Cypress-Akquisition
uneingeschränkt zu folgen. Der Kurssturz um über 10% ist ein
deutliches Urteil der Investoren. Sie werten den jüngsten Schritt
von Infineon als überteuert, um die Marktanteile im Kerngeschäft
auszubauen.

Verwässerungseffekte aufgrund einer möglichen Kapitalerhöhung und
eine steigende Verschuldung wirken abschreckend, wie auch die
kritische Reaktion der Ratingagentur Standard & Poor–s verdeutlichte.
Infineon plant, den Neuerwerb mit neuem Eigen- und Fremdkapital zu
finanzieren.

Skeptisch stimmt auch, dass Ploss zu einem denkbar ungünstigen
Zeitpunkt in den USA vorprescht. Der eskalierte Handelskonflikt
zwischen Washington und Peking birgt Risiken für das operative
Geschäft. Das kann die von Infineon propagierten Synergieeffekte
schmälern. Zugleich befindet sich die Branche mitten in einem
Abschwung. Infineon bekam das bereits zu spüren. Zwei
Gewinnwarnungen in Folge ließen Zweifel an der Prognosesicherheit des
Vorstands aufkommen. Seit Anfang Mai büßte die Aktie 30% ein. Der
Marktwert von Infineon schrumpfte auf 16,6 Mrd. Euro.

Ploss lockt derweil damit, mit der Übernahme unter die Top 10 der
Branche aufzusteigen. Nach dem Erwerb von IDT durch den japanischen
Wettbewerber Renesas sah sich der CEO offenbar unter Zugzwang. Für
das Unternehmen mit Sitz in Neubiberg bei München spricht, dass es
schon über reichlich Erfahrungen mit US-Akquisitionen verfügt. Die
Integration des vor vier Jahren für 2,3 Mrd. Euro erworbenen
Anbieters International Rectifier verlief weitgehend geräuschlos. Mit
einem Umsatz-Multiple von 2,7 war für Infineon dieser Erwerb aber
viel preiswerter.

(Börsen-Zeitung, 04.06.2019)

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