Börsen-Zeitung: Panikstimmung, Kommentar zur Schuldenkrise von Kai Johannsen

Panikstimmung hat die Finanzmärkte gestern
zeitweise erfasst. Die Furcht vor einem Übergreifen der
Staatsschuldenkrise auf Italien führte zu deutlichen Preisrückgängen
der Staatstitel der Südländer. Im zehnjährigen Laufzeitenbereich
sprang die Rendite über 6% – der höchste Stand seit 1997. Zur
Erinnerung: Unter Experten gelten Sätze von 7% im zehnjährigen
Laufzeitenbereich für Staaten der Eurozone als nicht tragbar. Der
Funke sprang von Italien aber auch auf die anderen schwächeren
Peripherieländer über. Bonds aus Griechenland, Portugal, Spanien und
Irland gingen ebenfalls auf Tauchstation. Das gleiche Bild bei den
CDS auf diese Staaten. Die Absicherungskosten schossen weiter empor.
Der Dax knickte ein, der Euro rutschte ab. Vor diesem Hintergrund war
Sicherheit gefragt. Bundesanleihen und Gold erfreuten sich großer
Beliebtheit. Erst am Nachmittag kehrte Beruhigung ein, die
Notierungen der risikobehafteten Assets setzten zur Erholung an.
Diese Bewegung wurde durch ein Gerücht ausgelöst: Die Europäische
Zentralbank, die nun seit 15 Wochen keine Staatsanleihen mehr gekauft
hat, soll wieder zugegriffen haben.

Dass Marktteilnehmer auch noch den letzten Rest Vertrauen in die
Fähigkeit der Politik zur Lösung der Krise verlieren, ist angesichts
des kopflosen Agierens der Politiker auch wenig verwunderlich. Seit
mehr als einem Jahr ist die Politik eine nachhaltige Lösung der
Staatsschuldenkrise schuldig geblieben. In jeden EU-Gipfel, in jedes
Sondertreffen der Finanzminister und Staatschefs hat der Markt die
Hoffnung gesetzt, dass substanzielle Fortschritte auf fundamentaler
Ebene gemacht werden, zum Beispiel bei den Sparanstrengungen,
Privatisierungen oder dem Abbau von verkrusteten bürokratischen
Strukturen. Was kam, waren nur Versprechungen, die wie Hinhaltetaktik
auf die Märkte gewirkt haben. Nachgebessert wurden nur die
Hilfspakete in Form von Laufzeitenverlängerungen und
Kuponreduzierungen. Doch an den Märkten war längst klar: Eine
Staatsschuldenkrise hat fundamentale Ursachen, und Schuldenprobleme
lassen sich nicht mit neuen Schulden lösen. Das hat Griechenland
gezeigt. Nicht mal ein Jahr hat es gedauert, bis Athen
Konditionenverbesserungen für die Hilfskredite erbat. Das sorgt nicht
gerade für einen Vertrauensaufbau.

Nun ist Italien an der Reihe. Wieder heißt es, – etwa von
Bundesfinanzminister Schäuble – der Haushaltsentwurf sei überzeugend.
Fragt sich nur für wen. Für die Märkte offenbar nicht. Die haben die
Geduld längst verloren.

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