Die Hängepartie geht weiter: Auch auf dem 
Treffen der EU-Finanzminister (Ecofin) in Polen, an dem der 
amerikanische Schatzamtschef Timothy Geithner teilnimmt, gibt es 
keine tief greifenden neuen Maßnahmen oder gar Ansätze für einen 
großen Plan zur Lösung der europäischen Schuldenkrise. Und der große 
Bruder von jenseits des Atlantiks kann nur wenig mehr beisteuern als 
die Bemerkung, er sei davon überzeugt, dass Europa über die nötigen 
Kapazitäten zur Lösung der Krise verfüge.
   Am Aktienmarkt hat es am Freitag, also am ersten Tag des 
Ecofin-Treffens, trotz der sehr überschaubaren Ergebnisse der 
Beratungen verhalten positive Reaktionen gegeben. Vielleicht schwingt
darin ein wenig Erleichterung mit, dass es einem unbedarft agierenden
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler mit seiner Forderung nach 
einer Insolvenz Griechenlands nicht gelungen ist, einen Stein ins 
Rollen zu bringen.
   So mancher Anleger, der sich beispielsweise mit Stirnrunzeln die 
Performance seines Aktienportfolios im laufenden Jahr ansieht, wird 
sich gleichwohl fragen, wann denn Europas Politiker endlich 
darangehen, die Schuldenkrise einer raschen und überzeugenden Lösung 
zuzuführen. Auf derartige Fragen gibt es leider nur eine auf den 
ersten Blick wenig befriedigende Antwort: Es kann kein solches „Grand
Design“ existieren, das die gegenwärtigen europäischen Probleme 
schnell löst. Und die Marktteilnehmer sollten froh sein, dass sich 
die europäischen Politiker nicht an einem solchen Plan versuchen.
   Derzeit gibt es zwei Szenarien, die von ihren Befürwortern als 
mögliche Befreiungsschläge angesehen werden, frei nach dem Motto: 
„Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“ Dies ist
zum einen ein Staatsbankrott Griechenlands, zum anderen wäre es der 
Rauswurf des Landes aus der Eurozone, verbunden mit der 
Wiedereinführung der Drachme. Bei der Umsetzung beider Vorschläge 
dürfte jedoch das Ausmaß des ausgelösten Schreckens den Rahmen des 
für die Märkte Erträglichen bei weitem sprengen.
   Gänzlich außer Kontrolle würde die Lage wohl bei einem Ausscheiden
des südeuropäischen Landes aus der Währungsunion geraten. Eine neue 
Drachme würde zweifellos sofort abwerten, was kurz vor der 
Währungsumstellung einen Run der Griechen auf ihre Banken auslösen 
würde, da alle Bürger ihre Euros behalten wollen, um sie ins Ausland 
zu bringen. Der hoch verschuldete griechische Staat hätte weiterhin 
seine auf Euro lautenden Auslandsverbindlichkeiten zu bedienen, was 
ihm aber mit einer stark abwertenden Drachme nicht gelingen wird. Der
Austritt aus der Eurozone würde also unweigerlich die Pleite des 
Landes nach sich ziehen – mit gravierenden Folgen für die 
europäischen Banken und die EZB, die von den Staaten der Eurozone zu 
rekapitalisieren wäre. Einen solchen doppelten Schock – der Anfang 
vom Ende des Euro und die erste Pleite eines EU-Mitglieds – würden 
die Märkte keinesfalls verkraften. Die Reaktionen an den Märkten 
würden voraussichtlich weit über das hinausgehen, was an Verwerfungen
im Rahmen der Finanzkrise zu sehen war.
   Aber auch die im Vergleich dazu vielleicht geringfügig sanfter 
ausfallende Rosskur eines Staatsbankrotts Griechenlands bei 
gleichzeitigem Verbleib des Landes in der Eurozone wäre sicherlich zu
viel für die Märkte. Denn auch in diesem Fall würden viele 
europäische Großbanken wegen des erheblichen Haircut für die Halter 
griechischer Staatsanleihen erneut am Abgrund stehen. Es wären also 
wieder die Staaten gefragt, die die Banken mit umfangreichen Beträgen
stützen müssten, was aber politisch kaum durchzusetzen wäre. Und in 
beiden Szenarien wäre auch mit einem verheerenden Dominoeffekt auf 
die anderen hoch verschuldeten Länder Irland, Portugal, Spanien und 
Italien zu rechnen.
   Ein aus Marktsicht realistischer Ansatz zur Lösung der Krise sieht
anders aus: In einer Politik kleiner Schritte – wie sie derzeit zu 
beobachten ist – müssen sich Griechenland und die anderen Länder 
langsam aus dem Schlamassel herausarbeiten, was von den 
EU-Kernstaaten zu kontrollieren und von den europäischen 
Institutionen wie der EZB und den Rettungsschirmen EFSF/EFSM zu 
flankieren ist, um die Lage an den Märkten unter Kontrolle zu halten.
   Da aber ernsthafte Fortschritte in Ländern wie Griechenland kaum 
vor 2012 sichtbar sein dürften, müssen sich die Märkte auf eine 
Hängepartie bis 2012 und eventuell sogar bis 2013 einstellen. Für 
Anleger bedeutet dies, dass sie 2011 beispielsweise als Aktienjahr 
bereits abhaken können. Dies ist aber immer noch besser als die 
Aussicht, im Inferno eines „Grand Design“ alles zu verlieren.
(Börsen-Zeitung, 17.9.2011)
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069–2732-0
www.boersen-zeitung.de
Weitere Informationen unter:
http://