Börsen-Zeitung: Raus aus dem Krisenmodus, Kommentar zur Euro-Wirtschaft von Mark Schrörs

Man muss nicht lange um den heißen Brei
herumreden: Dass die Euro-Wirtschaft im Frühjahr noch einmal an
Schwung verloren hat, ist enttäuschend. Das dürften auch die Granden
im EZB-Tower so sehen. Für Schwarzmalerei besteht aber dennoch kein
Anlass. Das sollten auch die Euro-Hüter so sehen: Sie sollten nicht
am avisierten Einstieg in den Ausstieg aus der ultralockeren
Geldpolitik rütteln.

Im ersten Halbjahr 2018 hat sich das Wachstum im Vergleich zu
2017 halbiert. 2017 war aber ein Ausnahmejahr mit Wachstum weit
oberhalb der Potenzialrate der Euro-Wirtschaft. Das konnte nicht ewig
so weitergehen. Das aktuelle Wachstum liegt immer noch im Bereich
oder gar leicht über Potenzial. Das zweite Halbjahr könnte sogar
wieder besser werden: Die Geldpolitik stützt weiter, der Euro ist
historisch eher schwach, die Fiskalpolitik ist leicht expansiv und
die Weltwirtschaft läuft rund. Die 2,5 Prozent Wachstum aus 2017 sind
nicht zu erreichen, aber eine Zwei vor dem Komma ist drin. Das wäre
für Euroland aller Ehren wert.

Der positive Ausblick gilt zumindest solange der Handelsstreit
nicht eskaliert. Gerade da aber gibt es Entspannungssignale zwischen
den USA und der EU. Natürlich sollte das niemand überbewerten, wenn
der nächste Zoff nur einen Tweet entfernt ist. Aber selbst bei
US-Präsident Donald Trump scheint die Einsicht zu reifen, dass Zölle
nicht „das Tollste“ und Handelskriege nicht „leicht zu gewinnen“
sind. Wenn es zu einem Deal kommt, sollte das die Wirtschaftsstimmung
wieder anheizen – mit positiven Folgen für die Investitionen.

Mindestens genauso entscheidend ist aber, dass die politischen
Entscheider in Euroland über das Handelsthema nicht die anderen
Hausaufgaben vernachlässigen: Es braucht einen konsequenteren Abbau
der Altlasten in den Bankbilanzen. Es braucht eine klügere
Fiskalpolitik, welche die richtigen Anreize setzt, ohne immer neue
Schulden zu machen. Es braucht entschlossene Strukturreformen, auch
um sich für den demografischen Wandel zu wappnen. Und es braucht eine
mutige Reform der Währungsunion, um sie für künftige Krisen besser
aufzustellen.

Für die EZB gilt, dass die wirtschaftliche Lage längst keine
Geldpolitik im Krisenmodus mehr rechtfertigt – zumal die Inflation
absehbar im Bereich des EZB-Ziels von knapp 2% liegen wird. Die
Anleihekäufe sollten Ende 2018 endlich enden. Und auch
Leitzinserhöhungen sollten nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag
vertagt werden. Ein Zinserhöhungszyklus à la Fed erscheint schwierig
genug. Die EZB will aber sicher auch nicht enden wie die Bank of
Japan, deren Leitzins seit mehr als zwei Jahrzehnten nahe oder gar
unter 0% liegt.

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