Die Bedeutung der aktuellen Haushaltsdebatte in
Brüssel ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, gibt der mehrjährige
Finanzrahmen der EU ab 2021 doch erstmals ganz konkrete Antworten auf
die drei großen Krisen, welche die Union bis kurz vor den Abgrund
geführt haben. Es geht also um eine neue Prioritätensetzung nach der
Euro- und Migrationskrise und dem Brexit. Der künftige Etat zeigt,
wohin die EU-27 nach ihrem geplanten Neustart steuern wird.
Der erste Aufschlag der EU-Kommission enthält schon viele richtige
Ansätze: Bei den Ausgaben werden eindeutig neue Schwerpunkte gesetzt,
die Einnahmeseite wird diversifiziert. Natürlich stellt sich erst
einmal die Frage, warum der Etat ausgeweitet wird, wenn doch der
aktuell zweitgrößte Nettozahler die EU verlässt.
Allerdings hätten schon Wirtschaftswachstum, Inflation und das
Streichen von Rabatten zu einer absoluten Erhöhung geführt. Und dass
Brüssel künftig 1,11% des Bruttonationaleinkommens in der EU für sich
beansprucht und nicht mehr nur 1,0%, sollte auch niemanden
schrecken. In den 1990er Jahren lag der Anteil auch schon mal bei
1,25%. Und das EU-Parlament fordert sogar vehement 1,3% für die
künftige Haushaltsperiode ab 2021.
Zudem: Wir sprechen von einem Haushalt, der heute nicht sehr viel
größer ist als der doppelte Etat des Bundeslandes
Nordrhein-Westfalen. Wenn dieser nun noch weiter heruntergefahren
würde, wie es Mitgliedstaaten wie Österreich oder die Niederlande
fordern, würden die unvermeidlichen Kürzungen überall in Europa nur
noch mehr Enttäuschungen hervorrufen und die EU insgesamt in Frage
stellen. Brüssel auf Sparflamme? Das wäre keine Antwort auf die noch
nicht überwundene Vertrauenskrise.
Das bedeutet allerdings nicht, dass nicht gekürzt werden sollte.
Ein modernes EU-Budget würde auch bedeuten, die Ausgaben für
Agrarpolitik und Strukturhilfen – die aktuell noch für über 70% der
EU-Ausgaben stehen – deutlich zurückzufahren. Die aktuell geplanten
Kürzungen von 5 bis 7% sind hier noch viel zu moderat ausgefallen.
Wenn es eine Neujustierung des EU-Budgets geben soll, dann müssen
jetzt mutig alte Zöpfe abgeschnitten werden.
Gegen die neuen Ausgaben-Prioritäten gibt es keine Einwände: Mehr
Geld für Forschung und Entwicklung, für Investitionen, Grenz- und
Umweltschutz bringt auf EU-Ebene eindeutig einen größeren Mehrwert
als einzelstaatliche Politik. Dies ist auch in den Mitgliedstaaten
wenig umstritten. Das Feilschen ums künftige Budget kann
beginnen.
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