Börsen-Zeitung: Riskante Wette, Kommentar zu Novartis von Daniel Zulauf

Vas Narasimhan ist noch keine drei Monate als
CEO von Novartis im Amt, und schon traut er sich eine Riesenwette zu.
Der Baseler Pharmakonzern kauft das amerikanische
Forschungsunternehmen Avexis und legt 8,7  Mrd. Dollar auf den Tisch.
Zwei Drittel der Summe, die Novartis Ende März für den Verkauf ihres
Anteils am erfolgreichen Joint Venture mit GlaxoSmithKline
eingenommen hat, fließen gleich wieder ab und gehen an die Aktionäre
von Avexis. Die kleine US-Firma wurde erst 2010 gegründet, sie zählt
nur etwa 200 Angestellte und ihr Vermögen besteht im Wesentlichen aus
einer Idee.

Demgegenüber stellen bekannte Produkte wie Voltaren, Panadol und
die vielen anderen, rezeptfreien Medikamente, wie sie in dem
britisch-schweizerischen Gemeinschaftsunternehmen verkauft werden,
vergleichsweise sichere Werte dar. Die 37-Prozent-Beteiligung an dem
Joint Venture hatte Novartis 2017 einen Gewinnanteil von immerhin
rund 630 Mill. Dollar eingebracht – und dies ohne allzu großes
Risiko.

Doch Novartis braucht mehr als zuverlässige Ertragsbringer. Die
riesige Organisation mit ihren nahezu 130.000 Mitarbeitern braucht
laufend frische Ideen für neue Medikamente mit potenziellen
Milliardenumsätzen. Im kommenden Jahr läuft in den USA das Patent für
den derzeit größten Blockbuster, dem MS-Präparat Gylenia, aus und
bald darauf verliert auch das Krebsmedikament Afinitor den
Patentschutz. Die beiden Medikamente spülen derzeit jährlich knapp 5
Mrd. Dollar in die Novartis-Kasse. Für den Ausgleich solcher Lücken
reichen die internen Forschungskapazitäten schon lange nicht mehr.
Novartis und die anderen großen Pharmakonzerne sind deshalb auf
fremde Forschungserfolge angewiesen. Doch die mit solchen
Akquisitionen verbundenen Risiken haben in den vergangenen Jahren
deutlich zugenommen. Das zeigt sich etwa am Fall Avexis. Dessen
Therapie zu Behandlung einer schlimmen Form von genetisch bedingtem
Muskelschwund ist zwar vielversprechend, aber die klinische Testreihe
an 15 Säuglingen ist kaum groß genug, um die Therapie bereits als
Erfolg feiern zu können.

Novartis geht aber auch so ein beträchtliches finanzielles Risiko
ein, denn in den reichsten Ländern dieser Welt, in denen überhaupt
die Mittel zur Finanzierung der Therapie vorhanden sind, dürften kaum
mehr als 10.000 Patienten leben. Dementsprechend teuer wird Novartis
die Therapie auch verkaufen müssen, um den hohen Akquisitionspreis
rechtfertigen zu können.

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