Börsen-Zeitung: Schluss mit Kompromissen!, Kommentar zu Italien von Andreas Heitker

Mit rationalen ökonomischen Argumenten ist der
anti-europäische Konfrontationskurs der italienischen
Populistenregierung logisch kaum zu erklären. Die verunsicherten
Märkte forderten 2018 schon ihren Tribut in Form von zusätzlichen 2,2
Mrd. Euro an Zinsen. Und sollte es nun wirklich zur Einleitung eines
Defizitverfahrens kommen, könnte am Ende – zumindest theoretisch –
eine Strafe im hohen einstelligen Milliardenbereich stehen. Zudem
droht der Ausschluss aus verschiedenen EU-Geldtöpfen, Kreditlinien
und weiteren Ausnahmeregelungen beim Haushalt, die die italienische
Regierung in den vergangenen Jahren ja schon so reichlich in Anspruch
genommen hat.

Auch im vergangenen November hatte die EU-Kommission schon die
Einleitung eines Defizitverfahrens befürwortet, nachdem die Regierung
in Rom einen provokanten Haushaltsentwurf für 2019 eingereicht hatte.
Nach zähen Verhandlungen gab es dann im Dezember einen halb garen
Kompromiss. In Brüssel hatte man gehofft, damit vor allem Matteo
Salvini vor der Europawahl ein wenig den Wind aus den Segeln zu
nehmen. Der Lega-Chef braucht ja das Feindbild EU für seine Politik
und nimmt daher die Eskalation von Konflikten bewusst in Kauf. Die
Europawahl hat aber die Macht von Salvini nur noch weiter gestärkt.

Im Gegensatz zum November kann die EU-Kommission heute für 2018
nicht nur auf Prognosen, sondern schon auf Fakten verweisen und die
wirtschaftliche Entwicklung 2019 bereits erheblich genauer
einschätzen. Und selbst wenn die italienische Regierung zum Teil
immer noch mit anderen Daten hantiert – die Zahlen zeigen eindeutig,
dass die Regeln des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts an
verschiedenen Stellen schlicht nicht eingehalten werden. Ein
Defizitverfahren ist damit unumgänglich geworden.

Die Juncker-Kommission, die sich als politisch versteht und die
Regeln gerne „flexibel“ oder „intelligent“ auslegt, hat bislang noch
kein Defizitverfahren bis zur Verhängung von realen Sanktionen zu
Ende geführt. Es bleibt zu hoffen, dass sie kurz vor dem Ende ihrer
Amtszeit das eine Mal konsequent ist und sich auf keine faulen
Kompromisse einlässt. Das Gleiche gilt für die Euro-Finanzminister,
die einem Verfahren ebenfalls zustimmen müssten. Sie verhandeln
zurzeit ein neues Paket zur Vertiefung der Währungsunion. Sollten
sich jetzt aber Salvini & Co durchsetzen, bliebe die Frage, was die
vielen schönen neuen Vereinbarungen noch für einen Wert haben.

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