Börsen-Zeitung: Schneckenpostbank, Kommentar zum Quartalsbericht der Postbank von Bernd Neubacher

Wer wollte es der Postbank verdenken, dass sie
angesichts des regulatorischen Tohuwabohu ihr Ziel für die
Eigenkapitalrendite kassiert? Es ist ja nicht einmal klar, wie
Eigenkapital künftig definiert wird. Dennoch keimt der Verdacht, dass
die vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht ausgehende
Verunsicherung dem Haus gerade recht kommt, um seine Unfähigkeit zur
Prognose mit externen Kräften begründen zu können. War die Lage im
vergangenen November denn so viel klarer? Da hatte das Institut, „mit
Blick auf die aktuellen Diskussionen der neuen regulatorischen
Rahmenbedingungen“, die Dividende bis 2012 gestrichen, um, wie es
damals hieß, sicherzustellen, das mittelfristige Ziel „einer
nachhaltigen operativen Eigenkapitalrendite nach Steuern von rund
13%“ auch in verändertem Umfeld zu erreichen.

In Bonn herrscht, wie in Basel, eine neue Unübersichtlichkeit. Da
gelingt es der Postbank, Eigenkapital auf- und auch dessen Rendite
auszubauen. Zugleich aber schwillt die Risikovorsorge im
Kreditgeschäft gegen den Branchentrend an – wenn im Brief an die
Aktionäre schon der Vergleich zum notorisch belastungsträchtigen
Jahresschluss bemüht werden muss, um eine Verbesserung zu
suggerieren, ist jedenfalls Vorsicht geboten. Während andere Häuser
Wertpapiere längst wieder heraufschreiben, regnet es bei der Postbank
noch immer in die Risikoportfolios, wenn auch nicht mehr so stark wie
zuletzt: Nur im Tempo einer Schneckenpost scheint man sich von den
Lasten der Vergangenheit zu befreien. Im Massengeschäft wiederum
bekommt die laut Selbstentwurf „führende Privatkundenbank in
Deutschland“ den Konkurrenzkampf zu spüren. So nahm die Zahl der
privaten Girokonten im ersten Halbjahr gegenüber 2009 leicht ab,
obwohl das Institut den für die kostenlose Kontoführung erforderliche
Mindestgeldeingang senkte. Zwar mag der Anstieg des Zinsüberschusses
froh stimmen. Inwieweit aber Fristentransformation, das Spiel auf der
Zinskurve, künftig möglich ist, wird sich mit den Baseler Vorgaben
zur Liquiditätshaltung noch zeigen müssen.

Würde die mit einer Option auf eine Übernahme ausgestattete
Deutsche Bank diesen Wettbewerber jetzt übernehmen, würde sich der
Marktführer Risiken ins Buch holen und Kernkapitalquote sowie
Nettoeigenkapitalrendite verwässern. Derzeit kommt die Deutsche Bank
da auf Werte von 11,3% und 11,5%, die Postbank auf 7,3% und 5,6%. Wer
wollte es der Deutschen Bank verdenken zuzuwarten?

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