Börsen-Zeitung: Schrecken ohne Wende, Kommentar zu General Electric von Stefan Paravicini

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken
ohne Ende, lautet eine schlaue Redensart. Investoren des US-Konzerns
General Electric (GE) sollte man damit im Moment allerdings eher
nicht kommen. Denn jedem Ende mit Schrecken folgt bei dem
Siemens-Rivalen derzeit ein Schrecken ohne Ende.

Erst in der vergangenen Woche musste der Industrieausrüster
einräumen, dass Altlasten in der ehemaligen Finanzsparte das
Schlussquartal mit mehr als 6 Mrd. Dollar belastet haben. Hinzu
kommen negative Einmaleffekte durch die US-Steuerreform und
Abschreibungen auf Firmenwerte, die den Konzern auch über das
Gesamtjahr tief in die roten Zahlen drücken. Dabei hatten die
Investoren eigentlich gehofft, dass die Mitte November beim ersten
großen Auftritt des neuen CEO halbierte Dividende und die bei dieser
Gelegenheit deutlich gesenkte Gewinnprognose für 2018 bereits das
Ende mit Schrecken markieren sollten. Von wegen.

Bereits vor der Veröffentlichung der Jahreszahlen am
Mittwochmorgen war den Investoren gleich mehrfach der nächste
Schrecken in die Glieder gefahren. Eine erneute Senkung der Prognose
für das gerade angelaufene Jahr stehe bevor, hieß es vereinzelt in
Analystenberichten, die in den vergangenen Tagen zusätzlich auf den
Kurs der Aktie drückten. Die Altlasten in der Finanzsparte könnten
die Kreditwürdigkeit des Konzerns gefährden, gaben andere
Marktbeobachter zu bedenken, während die Prämien für Versicherungen
gegen einen Zahlungsausfall von GE kräftig anzogen. Die operativen
Schwächen könnten bald eine Kapitalerhöhung oder eine weitere
Dividendenkürzungen nötig machen, wurde andernorts vorgerechnet. Und
wie steht es eigentlich um den Goodwill, der für Unternehmenswerte
der 2014 erworbenen Alstom in der Bilanz steht, während sich der
größte Zukauf der Unternehmensgeschichte immer mehr als Flop erweist?

Als GE gestern die Zahlen zum Schlussquartal veröffentlichte, fand
der Schrecken zunächst keine Fortsetzung. Allein das Festhalten an
der bescheidenen Prognose für den neuen Turnus verschaffte der Aktie
im vorbörslichen Handel kräftigen Auftrieb. Spätestens als
Finanzchefin Jamie Miller erklärte, dass die Finanzmarktaufsicht SEC
nach der bösen Überraschung zum Jahresschluss die Bilanzierungspraxis
von GE unter die Lupe nimmt und auch gleich die Bewertung
langfristiger Serviceverträge in der kriselnden Kraftwerksparte
prüft, setzte sich aber die Einsicht durch, dass vor der Wende wohl
mit weiteren Schrecknissen zu rechnen ist.

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