Börsen-Zeitung: Seltenheitswert, Kommentar zur LBBW von Bernd Wittkowski

Vorstand, Beschäftigte und Eigentümer der LBBW
sowie – das darf man auch mal erwähnen – die EU-Kommission mit ihren
Auflagen im Zuge des Beihilfeverfahrens haben eine Turnaround Story
geschrieben, die in Europas Kreditwirtschaft Seltenheitswert hat.
2008/09 kreiste über der größten deutschen Landesbank der
Pleitegeier. Anders lässt es sich kaum deuten, dass die regionalen
Sparkassen, Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart als Träger
damals 5 Mrd. Euro frische Eigenmittel einschießen mussten und
obendrein das Land für 12,7 Mrd. Euro bürgen musste. Sieben, acht
Jahre später kommt Bankchef Hans-Jörg Vetter, der Übertreibungen und
Lob, womöglich gar in eigener Sache, scheut wie der Teufel das
Weihwasser („Et g–scholda isch globt gnuag“, sagt man im
Schwäbischen), nicht umhin, seinem Institut zu bescheinigen, es
gehöre zu den kapitalstärksten Banken in Deutschland und sei
überhaupt eine „exzellente Adresse“.

Fürwahr! 15,6% beträgt die harte Kernkapitalquote bei
Vollanwendung der Basel-III-Regeln. Das vergleicht sich mit einer von
der EZB auferlegten individuellen Mindestquote von 9,75% plus 1 Punkt
Puffer für Systemrelevanz bis 2019. Auch auf die Verschuldungsquote
von 4,7% dürfte mancher Wettbewerber neidisch sein. Was die
Ertragslage angeht, gibt es bei einer Eigenkapitalrendite vor Steuern
von 4,1% sicher noch Luft nach oben. Auch die Cost-Income-Ratio ist
mit zuletzt gut 70% recht weit vom mittelfristigen Ziel „unter 60“
entfernt. Aber Vetter macht auch kein Hehl daraus, worunter das
Ergebnis leidet: Die Zinspolitik der EZB kostet bei einem
Eigenkapital von 15 Mrd. Euro nachvollziehbar 450 Mill. Euro Ertrag.

Unabhängig davon legt er die Latte für seinen designierten
Nachfolger Rainer Neske beim Vorsteuerergebnis auf 600 bis 700 Mill.
Euro nach oben, während etwa der neue Helaba-Vormann Herbert Hans
Grüntker das Rentabilitätsziel für sein Haus gerade deutlich gesenkt
hat, freilich von einer höheren Basis aus. Doch die Erwartungen der
LBBW erscheinen durchaus realistisch, sowohl was die
Wachstumsambitionen als auch was das Heben von Effizienzpotenzialen
angeht. Die Voraussetzungen sind gegeben: In Stuttgart ist die Bilanz
weitestgehend entrümpelt; Aktiva und Passiva wurden seit 2008 nahezu
halbiert, derweil die Bank seit 16 Quartalen ununterbrochen
profitabel arbeitet. Das schafft Spielraum für risikobewusstes und
ertragsorientiertes Wachstum, wie ihn heute nicht alle großen Banken
in Europa aufweisen. Vetter und sein Team haben mit Unterstützung der
Eigentümer gezeigt, wie es geht. Chapeau!

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