Börsen-Zeitung: Skylla und Charybdis / Kommentar von Ulli Gericke zu den Handelsbeziehungen mit China und den USA.

Deutsche Unternehmen sind in schweres Fahrwasser
geraten. Einerseits macht ihnen eine irrlichternde Politik des engen
Verbündeten und drittgrößten Handelspartner USA zu schaffen, wo
Präsident Donald Trump der hiesigen Autoindustrie Strafzölle androht.
Andererseits machen ihnen massive Restriktionen beim größten hiesigen
Handelspartner China Sorgen. Wie zwischen den antiken
Meeresungeheuern Skylla und Charybdis versucht die Industrie
zwischen diesen Fährnissen hindurchzusegeln.

Dabei scheint das Wasser auf chinesischer Seite – zumindest den
Bekundungen nach – deutlich ruhiger zu sein als am US-Ufer, wo die
Wellen Tag für Tag durch immer neue Tweets aufgepeitscht werden. Ist
China damit zum besseren Handelspartner avanciert? Trotz beständiger
staatlicher Markteingriffe, restriktiver Vorgaben und des von der
kommunistischen Partei forcierten Aufbaus von Parteizellen in den
Betrieben, die nach wachsendem Einfluss auf
Unternehmensentscheidungen streben?

Mit fast zwei Dutzend Kooperationsabkommen, die gestern anlässlich
der fünften deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen
unterzeichnet wurden, wollte der fernöstliche Ministerpräsident Li
Keqiang für gut Wetter und ruhigere See werben. Dazu gehört eine
unverbindliche Absichtserklärung der BASF, in der südchinesischen
Provinz Guangdong den Bau eines bis zu 10 Mrd. Dollar teuren
integrierten Verbundstandorts zu prüfen. Der könnte sich zum weltweit
drittgrößten Standort der Ludwigshafener entwickeln.

Anders als beim ersten Verbundstandort in Nanjing würde die neue
Investition schon 2026 in Betrieb gehen könnten, kein
50:50-Joint-Venture mehr sein, sondern in alleiniger Verantwortung zu
100 % von der BASF betrieben werden. Li betonte in diesem
Zusammenhang, China zwinge keinen mehr zum Technologietransfer.
Kanzlerin Angela Merkel sagte, dass die Öffnung des chinesischen
Marktes nicht nur Worte seien, sondern nun auch Taten folgten.
Insgesamt haben die unterzeichneten Vereinbarungen laut
Regierungskreisen ein Volumen von rund 20 Mrd. Euro. Alles gut also?

Bei weitem nicht. Solange Menschenrechtsverletzungen im Reich der
Mitte Alltag sind, wird auch ein geschlossener und geschützter
Datenaustausch für die Industrie 4.0 niemals sicher sein. Vom
gleichberechtigten Marktzugang mit fairen Chancen für ausländische
Anbieter ganz zu schweigen. Und dennoch wird China immer wichtiger –
und sei–s nur, weil der Gegenwind vom US-Markt immer stärker wird.

(Börsen-Zeitung, 10.07.2018)

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