So deutlich war US-Notenbankchef Jerome Powell
selten. Nach seinem jüngsten Auftritt vor dem Kongress können
eigentlich kaum noch Zweifel daran bestehen, dass der
Offenmarktausschuss (FOMC) der Fed in drei Wochen den Geldhahn
aufdrehen und die erste Zinssenkung seit mehr als zehn Jahren
beschließen wird. Alles andere würde nicht nur Kursstürze an den
Märkten auslösen. Insbesondere würde der Verzicht auf eine monetäre
Lockerung das Vertrauen in die Transparenz der Notenbank erschüttern,
die seit Jahren versucht, ihre Absichten deutlicher zu kommunizieren.
Die Argumente für eine Lockerung leuchten ein: Zwischen den USA
und China knistert es an der handelspolitischen Front unverändert.
Vorübergehende Waffenpausen bedeuten angesichts der
Unvorhersehbarkeit von US-Präsident Donald Trump so gut wie gar
nichts. Auch bleibt unklar, wie es zwischen den USA und Europa
weitergeht. Womöglich kann Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier
anlässlich einer seiner seltenen Besuche in der US-Hauptstadt mehr
Klarheit darüber erlangen, ob die wiederholt angedrohten Einfuhrzölle
für Autos zu den Akten gelegt werden können.
Die Handelskonflikte lasten jedenfalls ebenso wie die
Wachstumsschwäche bei wichtigen Partnerländern auf der Stimmung bei
amerikanischen Unternehmen. Sie schrauben ihre Investitionen zurück.
Angesichts des Zick-Zack-Kurses des Präsidenten in der Handelspolitik
fehlt es ihnen schließlich an der notwendigen Planungssicherheit.
Positiv lässt sich an Powells Auftritt ablesen, dass es der
US-Wirtschaft unterm Strich weiterhin gut geht. Der Arbeitsmarkt ist
stark, die Wachstumsrate ist recht solide, und die Fed hat ihre
Prognose fürs kommende Jahr zuletzt sogar leicht heraufgesetzt.
Enttäuscht werden könnten folglich jene Marktteilnehmer, die nun von
einer längeren Serie von Zinssenkungen ausgehen. Dasselbe gilt für
jene, die erwarten, dass Ende des Monats der Zielkorridor für den
Leitzins um 50 Basispunkte heruntergeschraubt wird.
Powell hat jedenfalls umsichtig und souverän gehandelt. Auf die
unsinnige Kritik, die US-Präsident Trump an ihm persönlich und an der
Fed übte, reagierte er mit Achselzucken. Zwar mag Trump denken, dass
er erfolgreich Druck ausgeübt hat, den Leitzins zu senken, und er
somit den obersten Währungshüter in die Knie gezwungen hat. Er läge
aber voll daneben, sind es doch ausschließlich handfeste ökonomische
Argumente, die für Powells Aussagen entscheidend waren.
(Börsen-Zeitung, 11.07.2019)
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