Börsen-Zeitung: Spiel mit dem Euro, Kommentar von Detlef Fechtner zur Vertagung der Griechenland-Rettung

Alle müssen sich noch einmal gedulden – die
Investoren ebenso wie die Steuerzahler. Denn erneut ist es den
Finanzministern nicht gelungen, sich auf eine Lösung für das
Finanzierungsproblem Griechenlands zu verständigen – obwohl unter
anderem EU-Kommissar Olli Rehn diese Hoffnung genährt hat.

Nun also, so versprechen die Finanzminister, soll es bis zum 3.
Juli klappen, Einvernehmen über die entscheidenden Eckwerte zu
erzielen. Na, schaun mer ma. Der 3. Juli ist nämlich recht nah und
die Lösung noch recht weit weg. So ist bislang nicht erkennbar, wie
die Privatgläubiger einerseits in keiner Weise gezwungen werden
dürfen, sich zu beteiligen – andererseits ihr Beitrag aber eine
verlässliche Größe sein muss, die den Internationalen Währungsfonds
(IWF) überzeugen soll.

Der IWF verlangt eine Antwort auf die Frage, was passiert, wenn
sich Banken und Fonds nicht ausreichend stark engagieren – oder wenn
sie Zusagen machen, sich aber später nicht daran halten. Im Grunde
müsste dann eine Garantie vorliegen, dass die Steuerzahler
einspringen. Genau diese Sicherheit werden aber weder die deutsche
noch niederländische oder finnische Regierung abgeben können. Die
Situation ist daher richtig vertrackt – und daran hat sich gestern
nichts geändert. Die Rettung Griechenlands vor der Pleite bleibt ein
Hoffnungswert.

Ironischerweise ergibt sich gerade aus der Zuspitzung der Lage
eine Chance, dass Europa doch noch zu einer Verständigung kommt. Denn
die immer lauter werdenden Demonstranten in Athen und die immer
allergischeren Reaktionen in den Zahlerstaaten machen sichtbar, dass
es nicht um den üblichen Verhandlungspoker geht, sondern um eine
Kontroverse mit gewaltiger Sprengkraft. Auch wer kein Freund von
Dramatisierungen ist, muss einräumen, dass sich das Thema zum Spiel
mit dem Euro entwickelt hat.

Damit steigt die Verantwortung jedes Beteiligten – der
Europäischen Zentralbank, des IWF und der privaten Gläubiger. Sie
können sich schlicht nicht mehr darauf verlassen, dass Europas
Staaten die Griechen auch dann auffangen, wenn die Privaten jede
Beteiligung ablehnen. Daher müssen sie – erstmals in der Finanzkrise
– befürchten, demnächst auch portugiesische Anleihen oder
zypriotische Kredite abzuschreiben und mit der Rückkehr des großen
Misstrauens am Geldmarkt zu leben, sofern sie sich der Beteiligung
verweigern. Schäuble will ihnen keine speziellen Anreize bieten,
sondern setzt auf „die Kraft der Vernunft“. Am 3. Juli wird sich
zeigen, ob das vernünftig gewesen ist.

(Börsen-Zeitung, 21.6.2011)

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