Die Stunde der Semantiker hat geschlagen, wenn
sich heute Eurolands Finanzminister treffen, um wieder einmal die
Rettung Griechenlands vor der drohenden Insolvenz zu beraten. Ohne
Umschuldung, diese Erkenntnis setzt sich allmählich nicht nur bei den
Ratingagenturen durch, wird Griechenland auf keinen grünen Zweig
kommen, die Staatsschuldenkrise in Euroland zum Dauerthema werden.
Nur benennen darf man die faktische Staatspleite nicht als das, was
sie ist, denn sonst müssten die Ratingagenturen dies als
Zahlungsausfall werten. Also werfen Regierungen und Notenbanker seit
Wochen Nebelkerzen und versuchen, mit Begriffen wie „weicher“,
„freiwilliger“ und „rein freiwilliger“ Umschuldung für die
Einbeziehung der privaten Gläubiger einen Kompromiss zu finden, der
ein „Kreditereignis“ vermeidet und Weiterwursteln erlaubt.
Längst geht es nicht mehr nur um viele Milliarden Euro, die
Europas Steuerzahler zur Stabilisierung von Griechenland, Irland und
Portugal bereitstellen mussten und wohl noch müssen. Es geht um die
Glaubwürdigkeit der europäischen Institutionen, allen voran der
Europäischen Zentralbank. Deren Präsident Jean-Claude Trichet hat sie
vor Jahresfrist aufs Spiel gesetzt, und nun wird er die Geister nicht
mehr los, die er einst rief. Mit dem Aufkauf griechischer Anleihen
ist die EZB Partei geworden. Wie schwer die Währungshüter sich damit
tun, einerseits nicht als verlängerter Arm der Finanzminister zu
erscheinen, andererseits durch Verweigerung einer
Laufzeitverlängerung der Griechen-Anleihen eventuell zum Scheitern
Eurolands beizutragen, ist soeben wieder deutlich geworden. Selbst
der Vizepräsident der EZB, Vitor Constancio, hat Mühe, den verbalen
Verrenkungen seines Präsidenten Jean-Claude Trichet und deren
korrekter Interpretation immer zu folgen (vgl. Bericht S. 6).
Eine reguläre Umschuldung Griechenlands unter Beteiligung der
privaten Gläubiger werde das Vertrauen der Märkte in Euroland und
seine Währung erschüttern, warnen Notenbanker wie EZB-Chefvolkswirt
Jürgen Stark und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, aber auch
Geschäftsbanker wie Martin Blessing. Doch ein Default, der aufgrund
eines politischen Kuhhandels zwischen Regierungen und Ratingagenturen
nicht so genannt werden darf und damit die Absicherung über die
Märkte (wie CDS) aushebelt, wird erst recht einen Vertrauensverlust
auslösen. Und vor allem: Eine solche weiche Umschuldung löst nicht
das Problem, sondern vertagt es nur.
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