Börsen-Zeitung: Teurer Befreiungsschlag, Kommentar zum Verkauf der Siemens IT-Sparte von Stefan Kroneck

In der Vorweihnachtszeit sind Anleger für
positive Unternehmensnachrichten besonders empfänglich. Mit der
Trennung von der lästigen IT-Sparte SIS traf Siemens den Nerv der
Investoren. Die Börse honorierte den kompletten Verkauf der
Konzerntochter an den französischen IT-Dienstleister Atos mit einem
Kursplus von zeitweise 2,6%. Die Reaktion des Marktes ist
nachvollziehbar, wird Siemens doch schneller als erwartet einen
Bereich los, der zuletzt das Konzernergebnis deutlich verhagelte.

Siemens zahlt für diesen Befreiungsschlag allerdings einen hohen
Preis. Die finanziellen Belastungen für den Dax-Konzern aus der
Transaktion könnten den mit den Franzosen vereinbarten Kaufpreis von
850 Mill. Euro gar übersteigen. Die Münchener geben eine Mitgift von
300 Mill. Euro und kommen für weitere finanzielle Risiken auf,
einschließlich der Pensionsverpflichtungen für die 32000
Beschäftigten von SIS. Zudem droht eine hohe Buchwertabschreibung.

Siemens zahlt abermals deutlich drauf, um ein Sorgenkind
loszuwerden. Erinnert sei an die Mobilfunksparte. Am Ende stand die
Insolvenz von BenQ Mobile, was Siemens einen Imageschaden einbrachte.
So weit wird es mit Atos sicherlich nicht kommen, obgleich Skepsis
angebracht ist, ob dieser Deal die Franzosen wirklich spürbar bei
ihrer Ertragskraft voranbringt. So schaffte es Siemens zuvor nicht,
SIS auf eine solide Basis zu stellen. Der Deal mit Atos ist das
Eingeständnis eines unternehmerischen Scheiterns.

Aber das kann Siemens-Chef Peter Löscher verkraften. Schließlich
überwiegen die strategischen Vorteile für die Münchener aus der
jüngsten Aufräumarbeit bei den Altlasten. SIS zählte zu den größten
operativen Risikofaktoren des Konzerns, der die Tochter künftig nicht
mehr in seiner Bilanz konsolidieren muss. SIS und das ebenfalls
krisengeschüttelte Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks
(NSN) sorgten in jüngster Vergangenheit wiederholt für hohe
Mehrkosten inklusive Abschreibungen.

Mit dem Verkauf von SIS kommt Siemens ihrem Ziel einen Schritt
näher, das Konzernergebnis von unliebsamen hohen Sonderbelastungen
aus Nebenaktivitäten zu befreien. Auf der Agenda steht jedoch noch
das schwierige Thema NSN. Sollte Löscher auch hier in absehbarer Zeit
ein Ausstieg gelingen, wäre das ebenfalls eine gute Nachricht für die
Siemens-Aktionäre.

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069–2732-0
www.boersen-zeitung.de