Börsen-Zeitung: Thiams Tage sind gezählt, Kommentar zu Credit Suisse von Daniel Zulauf

Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam wird die Affäre
um die Beschattung des ehemaligen Divisionsleiters Iqbal Khan nicht
überstehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die vom
Verwaltungsrat bei einer Zürcher Anwaltskanzlei bestellte interne
Untersuchung den CEO von einer direkten Mitverantwortung
freispricht. Die Untersuchung habe keine Hinweise ergeben, dass Thiam
die Überwachung Khans genehmigt oder von dieser Kenntnis gehabt hat,
wird festgestellt.

Doch selbst wenn man den Befund für bare Münze nimmt, kann er dem
Chef zur Last gelegt werden. In diese Richtung gehen die Kommentare
fast aller Beobachter, die den bizarren Fall in den vergangenen
Tagen verfolgt haben. Man darf behaupten, dass Thiam von der
Bespitzelung seines Mitarbeiters hätte wissen müssen, schließlich
handelte es sich um den Vorzeigemann im Team des CEO und um dessen
Zögling. Spätestens im Januar, als der Streit zwischen den beiden auf
einer Party in Thiams Haus für alle Gäste sichtbar ausgebrochen war,
hätte sich der Bankchef persönlich und transparent um eine
einvernehmliche Trennung kümmern müssen.

Doch auch die Untersuchung selbst weckt Zweifel. Sie klammert
ausgerechnet das gespannte persönliche Verhältnis zwischen den beiden
Protagonisten aus, ohne das die dramatische Eskalation nicht möglich
gewesen wäre. Zu denken gibt auch der Umstand, dass der
Verwaltungsrat den Sachverhalt von einer Anwaltskanzlei durchführen
ließ, die zu den wichtigen Kunden der Credit Suisse zählt. Die Sache
riecht danach, als hätte man nicht mehr herausfinden wollen als das
wenige, das am Dienstag auf den Tisch gekommen ist.

Thiam und der Credit Suisse ist damit nicht geholfen. Der
Glaubwürdigkeitsverlust raubt dem Bankchef die Kraft, die für die
Führung eines Großkonzerns unabdingbar ist. Wer den Zusammenhalt der
Credit Suisse sichern will, muss die zentrifugalen Kräfte zwischen
den Investment-, Private- und Retail-Bankern um personelle
Ressourcen, Investitionsmittel und Kapital beherrschen. Genau darauf
gründete Thiams größte Leistung bei der Neuordnung der Bank. Nun soll
er diese Aufgabe in seiner angeschlagenen Verfassung auch noch allein
bewältigen, nachdem sein engster Manager, Chief Operating Officer
Pierre-Olivier Bouée, über die Klinge springen musste.

Kaum vorstellbar, dass der Verwaltungsrat und Thiam die
Unlösbarkeit dieses Problems nicht selbst erkennen. Die Führung
spielt auf Zeit, bis ein Nachfolger gefunden ist. Lange kann sie sich
dabei nicht gedulden.

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