Mit einer gewissen Erleichterung dürften manche
Experten das derzeitige Treiben am Aktienmarkt verfolgen. Denn die
rasante und zudem bereits von einem deutlich gestiegenen Niveau aus
gestartete Hausse des Dax seit dem Jahresbeginn hat den einen oder
anderen Strategen bereits an der Aussagekraft seiner fundamentalen
Werkzeuge zweifeln lassen. Nun aber ist sie endlich da, die schon
seit geraumer Zeit prognostizierte Konsolidierung des Index. Nach
einem Verlust in der vorangegangenen Woche von 5,6% auf 11.689 hat
das deutsche Standardwertebarometer in der gerade abgelaufenen Woche
mit einem Plus von 1,1% auf 11.811 Punkte auf der Stelle getreten.
Es ist eine überfällige Atempause des Marktes, und auch eine
willkommene. Schließlich drohte er sich immer weiter von der
fundamentalen Realität abzukoppeln. Zwar gehört es zum Geschäft, dass
die Kurse gelegentlich deutlicher steigen – oder auch fallen -, als
aufgrund fundamentaler Fakten angesagt zu sein scheint. Genauso
richtig ist aber auch, dass mit jedem weiteren Hunderter im Index die
Gefahr empfindlicher Rückschläge gestiegen wäre. Deutlich zeigt sich
dies unter anderem in dem sehr hohen Abstand des Index zu seiner
200-Tage-Linie, auf den der Chefanlagestratege der Bethmann Bank im
Interview in dieser Ausgabe hinweist.
Zwei Treiber verloren
Neben Gewinnmitnahmen kann die Atempause aber durchaus zum Teil
auch fundamental erklärt werden. Zwei Treiber der Hausse des Dax
waren der Verfall der Ölpreise und insbesondere der Marsch des
Euro-Dollar-Wechselkurses Richtung Parität. Nicht von ungefähr
gehörten etwa die Automobilherstelleraktien zu den großen Rasern der
Rally. Seit Mitte Januar zeigen die Ölpreise jedoch mit einem Gewinn
von bis zu 45% (Brent) eine der stärksten Erholungsbewegungen ihrer
Geschichte, und die Talfahrt des Euro ist stehen geblieben. Wenig
überraschend haben sich die Aktien des Automobilsektors zuletzt
spürbar von ihren Höchstständen wieder entfernt. Die Rally hat
zumindest vorläufig zwei ihrer Treiber verloren.
Die Atempause ist noch auf eine andere Weise willkommen. Auch
viele Investoren, die an der Rally nicht oder unzureichend
teilgenommen haben und damit unter Performance-Druck geraten sind,
haben sehnlichst auf eine Korrektur bzw. Einstiegsgelegenheiten auf
niedrigerem Niveau gewartet. Auf den fahrenden Zug noch
aufzuspringen, fiel ihnen zuletzt immer schwerer, weil sie
befürchteten, am Top einzusteigen.
Wann bzw. auf welchem Niveau sie Engagements am Aktienmarkt
eingehen bzw. aufstocken werden, ist schwer zu prognostizieren. Ihr
Anlagebedarf spricht aber dafür, dass das Abwärtspotenzial des Dax
derzeit eher begrenzt sein dürfte und auch noch die Chance besteht,
dass der Index noch weitere Höchststände erklimmt. Denn es mangelt
schlichtweg an Alternativen. Investoren werden wahrscheinlich
demnächst auch bei zehnjährigen Bundesanleihen das zweifelhafte
Vergnügen haben, dem deutschen Staat einen kleinen Obolus dafür zu
entrichten, dass sie ihm Geld leihen. Aber auch bei den an zwei
Händen abzählbaren Basispunkten, die sie derzeit noch als
Kuponrendite abwerfen, sind die vermeintlich sicheren Papiere nicht
gerade attraktiv.
Notenbanken bleiben locker
Zudem bleibt – und das wiegt schwerer als die wahrscheinlich
vorübergehenden Gegenbewegungen von Öl und Euro – mit der
ultralockeren Geldpolitik bis auf Weiteres der entscheidende Impuls,
der die Aktienmärkte seit Jahren treibt, erhalten. Die Europäische
Zentralbank hat gerade erst ihre quantitative Lockerung, d.h. die
Anleihekäufe in Höhe von monatlich 60 Mrd. Euro, gestartet. In Japan
stehen die Währungshüter weiter stramm auf dem Gaspedal.
Mehr noch: In den Vereinigten Staaten scheint sich die erste
Erhöhung der Fed Funds Rate zu verzögern, weil die Konjunktur nicht
mehr ganz so rund zu laufen scheint, unter anderem weil der deutlich
gestiegene Außenwert des Dollar seinen Tribut fordert. Und in China,
das aufgrund der Anbindung des Yuan an die amerikanische Währung
bislang gemeinsam mit den USA die Lasten der monetären
Lockerungsorgie, d.h. des weltweiten Abwertungswettlaufs, trägt,
haben die Behörden Maßnahmen ergriffen, um der empfindlichen
Wachstumsabkühlung Herr zu werden. Experten gehen davon aus, dass
dies, darunter zuletzt die überraschend deutliche Senkung des
Mindestreservesatzes um 100 Basispunkte, erst der Anfang einer ganzen
Serie von Maßnahmen zu Stützung bzw. Ankurbelung des Wachstums war.
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