Börsen-Zeitung: Unbekömmlicher Cocktail / Marktkommentar von Christopher Kalbhenn zu politischen Risiken an den Börsen

Politische Börsen haben kurze Beine, so eine
viel zitierte „Börsenweisheit“, die den Marktteilnehmern in Zeiten
von der Politik ausgelöster Turbulenzen Trost spendet. Derzeit sind
es aber wohl der Beine zu viel, die den Märkten in den Weg gestellt
werden. Die Übernahme der Regierung in Italien durch ein Bündnis
europaskeptischer Populisten, deren wirtschaftspolitische
Vorstellungen im besten Fall abenteuerlich genannt werden können,
hat in der abgelaufenen Woche neuerliche Sorgen über eine Euro-Krise,
wenn nicht gar den Zerfall der Währungsunion hervorgerufen.

Nicht genug damit, hat der von nicht weniger abenteuerlichen
Vorstellungen getriebene US-Präsident Donald Trump die Welt dem von
vielen befürchteten Handelskrieg ein gutes Stück näher gebracht. Seit
dem Freitag gelten Strafzölle von happigen 25 % auf Stahl- und
Aluminiumimporte aus der EU sowie den Nafta-Partnern der Vereinigten
Staaten, Mexiko und Kanada, und die „Opfer“ haben bereits
Gegenmaßnahmen angekündigt. Zu allem Überfluss kam es dann auch noch
zum Regierungswechsel in Madrid.

Mit so vielen politischen Beinen im Weg musste der Dax einfach ins
Stolpern geraten und von der zuvor so mühsam erklommenen Marke von
wieder 13000 Zählern ablassen. Es kann auch nicht verwundern, dass
die Marktteilnehmer auf Nummer sicher gegangen sind. Schließlich hat
ihnen die Politik einen äußerst unbekömmlichen Cocktail gemixt. Es
droht nun eine unter Umständen längere Phase, in der der
Handelskonflikt und wahrscheinlich in weit stärkerem Maße das
Politchaos in Italien für Irritationen und Schwächeanfällen am
Aktienmarkt sorgen könnten, ein Umfeld, in dem sich die Anleger
wahrscheinlich zumindest zurückhalten bzw. auf günstigere
Gelegenheiten warten. Auch wenn die italienischen
Staatsanleiherenditen wieder etwas gesunken sind, besteht kein Anlass
zur Entwarnung, urteilte die Commerzbank am Freitag. „Denn die neue
Regierung dürfte auf Konfrontationskurs zur EU gehen, wodurch der EZB
erst einmal die Hände gebunden sind. Die Krise könnte wieder
hochkochen.“ Allerdings rechnet die Bank damit, dass es nicht zum
Äußersten kommen wird. „Italien dürfte es wie Griechenland vor drei
Jahren letztlich nicht wagen, die Währungsunion zu verlassen und
dadurch ins wirtschaftliche Chaos zu stürzen.“

Überdies gehen von den Turbulenzen der abgelaufenen Woche
Auswirkungen aus, die für den Aktienmarkt letztlich stützend wirken.
So sind der Renditeanstieg an den Staatsanleihemärkten und auch die
Zinssteigerungserwartungen gedämmt worden. Beispielsweise hat die
Helaba zuletzt ihre Prognosen für den Dreimonats-Euribor und die
laufende Verzinsung zehnjähriger Bundesanleihen im vierten Quartal
2018 von 0,55% auf 0,30% und von 1% auf 0,80% gesenkt. Ferner ist die
Gemeinschaftswährung unter Druck geraten, was der Ergebnisentwicklung
der Dax-Unternehmen zugutekommt.

Nicht zuletzt stimmen nach wie vor die fundamentalen
Rahmenbedingungen. Die Unternehmensgewinne steigen. Dies und der „Mix
aus niedriger Inflation und Zinsen“ veranlassten die DZ Bank in
der abgelaufenen Woche, ihren Optimismus für den Aktienmarkt zu
bekräftigen und eine erstmalige Dax-Prognose per Mitte 2019 von
14 200 Zählern zu veröffentlichen. Das würde beim aktuellen
Stand einen Anstieg des deutschen Blue-Chip-Index in den kommenden
zwölf Monaten von 11,6% bedeuten. Allerdings liegt dieser Prognose
das Basisszenario der Bank: „Italien löst keine EWU-Schuldenkrise 2.0
aus“ zugrunde.

Neben der Abwendung einer weiteren Eskalation im Handelskonflikt
hängen Wohl und Wehe des Aktienmarktes in den kommenden Monaten
entscheidend davon ab, dass die erschreckenden Renditesprünge vor
allem am kurzen Laufzeitenende der italienischen Zinskurve bei der
neuen Regierung des Landes Realismus und Vernunft einziehen lassen.

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